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War die Umgestaltung der Mariahilfer Straße zur Fußgänger- und Begegnungszone ein "Trial and Error"-Verfahren? Ein österreichisch-polnisches Forscherteam zeigt Risiken von Bürgerbeteiligung auf.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Wien - Partizipation und Bürgerbeteiligung gelten in der wissenschaftlichen Literatur derzeit als das Nonplusultra in der Städteplanung. Beziehe man Anrainer mit ein, dann sei die Akzeptanz für neugestaltete Plätze oder umgebaute Straßen weit höher. Zwei Wissenschafter - Martin Bartenberger von der Wirtschaftsuniversität Wien und Dawid Szescilo von der Universität Warschau - untersuchen derzeit anhand der Umgestaltung der Wiener Mariahilfer Straße, ob die These hält.

Experiment Fußgängerzone

"Der Umbau der Mariahilfer Straße ist für uns als experimenteller Prozess zu verstehen. Es wurde mit keiner fertigen Lösung gestartet, vielmehr wurde der Umbau im Prozess schrittweise verändert und an die Bedürfnisse der Beteiligten angepasst", sagt Bartenberger. Ein solcher Prozess, den er auch als "Trial and Error" bezeichnet, werde zwar in der Literatur wohlwollend diskutiert, berge aber auch Risiken. Entgegen dem bisherigen Forschungsstand, der von einer Win-Win-Situation für alle Beteiligten ausgeht, spricht Bartenberger von einer Win-Lose-Situation: "Zwar profitieren Bürger, wenn sie miteinbezogen werden, nicht aber unbedingt die Politiker, die die Initiative ergriffen haben."

Der Prozess, der sich im Fall der Umgestaltung der Mariahilfer Straße über mehrere Monate gezogen hat, sei von Unsicherheit begleitet gewesen. Die Kommunikation habe nicht immer funktioniert, obwohl es Bemühungen gab, etwa durch das Aufstellen von "Dialogboxen". Aber man habe sich beim Start der Probezeit nicht vorstellen können, wie die neue Mariahilfer Straße einmal ausschauen werde, und wusste nicht, ob Radfahrer sie benutzen dürfen oder nicht.

Knappes Ergebnis

Die beiden Wissenschafter beziehen sich auch auf das Ergebnis der Bürgerbefragung, die Anfang März stattgefunden hat. "Das Ergebnis war sehr knapp, 53,2 Prozent stimmten für den Umbau", so Bartenberger. "Das ist in etwa die gleiche Anzahl, die im 6. und 7. Bezirk bei der Nationalratswahl 2013 für SPÖ und Grüne gestimmt haben." Es waren aber deutlich weniger, als die über 60 Prozent, die Rot und Grün gemeinsam bei der Wien-Wahl 2010 bekommen haben.

Akzeptanz nicht gesteigert

"Auch wenn Wahlmotive und Wählergruppe nicht deckungsgleich sind, ist das für uns ein deutliches Zeichen, dass durch den experimentellen Umbauprozess die Akzeptanz nicht gesteigert werden konnte."

Interessiert beobachtet das Forscherteam nun auch weitere städteplanerische Projekte. Am Freitag gab Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne) bekannt, dass im Wiener Verkehrskonzept 2025 weitere Fußgängerzonen, Carsharing und neue Radwege vorgesehen sind.

Auch die Umgestaltung des Wiener Schwedenplatzes steht an, wo Noch-Bezirkschefin Ursula Stenzel (VP) auf einer Untertunnelung besteht.

Vorsichtig mit Beteiligung

Aufgefallen ist dem österreischisch-polnischen Forscherteam, dass die Österreicher generell noch sehr vorsichtig mit Beteiligung umgehen und diese auch nicht immer begrüßen. "Partizipation ist nicht immer das, was alle Leute wollen. Manche wollen einfach fertige Maßnahmen präsentiert bekommen", sagt Szescilo. (Rosa Winkler-Hermaden, DER STANDARD, 29.11.2014)