Sie sind zwischen 55 und 75 und gehören zu den wichtigsten Akteurinnen am österreichischen Kunstmarkt. Ein Modeshooting mit der Crème der heimischen Galeristinnen. Der Schauplatz: Künstlerbett, Gimpelwaage und Psychotank!

Elisabeth Thoman: "War nie ein Freak"

STANDARD: Wie modeaffin ist die Kunstszene?

Thoman: Kunst ist Kunst und nicht Mode. Das möchte ich festhalten. Andererseits haben viele, die sich mit Kunst beschäftigen, ein besonderes Gefühl für Ästhetik.

STANDARD: Kunst und Mode haben einander in den vergangenen Jahren immer mehr angenähert. Künstler arbeiten für Modelabels, Modemacher mit Künstlern. Verschwinden die Grenzen?

Thoman: Wenn Kunst mit Mode arbeitet, geht es darum, Zeitgenossenschaft zu reflektieren. Welche Prioritäten hat eine Gesellschaft? Wie geht sie mit einer kreativen Ausdrucksform wie Mode um? Das wird reflektiert.

STANDARD: Mode ist sehr konsumorientiert, Kunst hat zu Konsum ein viel zwiespältigeres Verhältnis. Blickt die Kunst deswegen oft auf die Mode herunter?

Thoman: Es gibt unglaublich tolle Modeschöpfer. Alexander McQueen. Jean Paul Gaultier. Vivienne Westwood. Das sind Künstler. Die Gestaltungen und Konzepte, die sie entwickeln, die Skulpturen, die sie gestalten, das ist Kunst. Ich weiß nicht, ob die Einschätzung, dass die Kunstszene auf die Mode herunterblickt, korrekt ist.

STANDARD: Was unterscheidet Kunst und Mode?

Thoman: Kunst ist zweckfrei, ist eine Sache für sich. Kunst ist eine Sprache, aber eine andere als die gesprochene, als Schrift. Ein Kommunikationssystem.

STANDARD: Hatten Sie je eine Lebensphase, in der Sie sich über Ihr Äußeres definiert haben?

Thoman: Ich war nie ein Freak. Leider. Heute bereue ich es. Meine Kinder hatten dafür Rastalocken und gefärbte Haare.

STANDARD: War das ein Problem für Sie?

Thoman: Ich habe ihnen gesagt, dass ich für ihren Körper verantwortlich bin - bis sie 18 sind. Ich hätte nicht zugestimmt, dass sie ihren Körper durchstechen oder bemalen lassen.

Elisabeth Thoman leitet zusammen mit ihrem Mann Klaus eine Galerie in der Marien-Theresien-Straße 34 in Innsbruck und auf der Seilerstätte 7 in Wien. Ausstellungen derzeit von Hermann Nitsch und John M Armleder.

Elisabeth Thoman trägt eine Hose von Schella Kann, eine Vintage-Jacke von Stella McCartney, Schuhe Iris Van Herpen, fotografiert wurde sie in der TBA21 im Wiener Augarten.

Foto: Irina Gavrich, Styling: Andreas Fischbacher

Rosemarie Schwarzwälder: "Galeristen sind Frontgestalten"

STANDARD: Gibt es in der Kunstszene einen Dresscode?

Schwarzwälder: Dass meine Kolleginnen und Kollegen Geschmack haben und wissen, dass die Art, wie man sich kleidet, etwas mit der eigenen Persönlichkeit zu tun hat, setze ich voraus. Wir Galeristen sind Frontgestalten. Von Dresscode würde ich nicht sprechen.

STANDARD: Wie war das bei dem Outfit, das Sie beim Fotoshooting getragen haben?

Schwarzwälder: Der schwarze Mantel von Dries Van Noten, mittlerweile ein Vintage-Teil, ist eines meiner Lieblingsstücke mit seinem coolen, aber leicht barocken Schnitt. Ganz besonders liebe ich auch den engen Lederrock von Stouls.

STANDARD: Was haben Sie getragen, als Sie als Galeristin begonnen haben?

Schwarzwälder: Das war Ende der Siebzigerjahre. Ich war ein großer Fan von Jil Sander, kenne sie auch persönlich. Ihre kühlen, klaren Entwürfe haben meinem Selbstverständnis, Unternehmerin zu sein, entsprochen, Businesskleidung mit elegantem Sexappeal.

STANDARD: Wie würden Sie Ihr Modeverständnis beschreiben?

Schwarzwälder: Ich bin niemand, der verrückte Sachen anzieht, aber etwas spezieller darf es schon sein. Mir gefallen klassische Sachen, die einen Dreh haben. Es gibt für mich nicht so viele Modeschöpfer, bei denen das der Fall ist, einer ist eben Dries Van Noten. Bei ihm mag ich seine hochwertigen Materialien, Handgewirktes, sein Studium alter Kulturen. Ich reise viel, und ab und zu finde ich ein originales Kleidungsstück, das Ort und Geschichte ausstrahlt. So etwas lässt sich ganz wunderbar mit den Kreationen von Dries kombinieren. Andere Labels, die ich sehr schätze, sind Akris und Margiela.

STANDARD: Wie viel Kunst ist in der Mode, wie viel Mode in der Kunst?

Schwarzwälder: Es sollte möglichst wenig Mode in der Kunst sein. Sich wechselseitig zu inspirieren ist etwas anderes. Ich kenne einige Modeschöpfer, zum Beispiel Albert Kriemler von Akris, er sammelt leidenschaftlich Kunst. Auch bei Jil Sander ist das so. Menschen, die sich auf solch hohem Niveau kreativ betätigen, haben eine unglaubliche Sensibilität für Gestaltung und Angemessenheit.

Rosemarie Schwarzwälder leitet die Galerie Nächst St. Stephan in der Wiener Grünangergasse 1. Aktuelle Ausstellung: Manfred Pernice.

Rosemarie Schwarzwälder trägt eine Bluse von Maison Martin Margiela, einen Rock von Stouls und einen Vintage-Mantel von Dries Van Noten. Fotografiert wurde sie im Aufzugbett des Künstlers Carsten Höller in der TBA21 in Wien (die Ausstellung läuft bis 4. Jänner).

Foto: Irina Gavrich, Styling: Andreas Fischbacher

Ursula Krinzinger: "Würde so etwas nie tragen"

STANDARD: Was haben Sie als junge Galeristin getragen?

Krinzinger: Die 1970er-Jahre waren sehr feministisch geprägt. Mein Stil hat sich damals zwischen den Polen "total verrückt", Boheme, kurzzeitig Jeanslatzhose und in der Folge strenge Jil-Sander-Konstüme bewegt. Damals habe ich Ausstellungen nur mit Künstlerinnen gemacht oder die Geschichte des Feminismus aufgearbeitet.

STANDARD: Kleidung hatte damals eine stark gesellschaftspolitische Dimension?

Krinzinger: Es ging darum, sich aufzulehnen - und um eine Uniformierung, man solidarisierte sich dadurch mit feministischen Inhalten.

STANDARD: Welchen Symbolcharakter hat Kleidung für Sie heute?

Krinzinger: Bei den Galeristen ist das ein bisschen so wie bei den Architekten: Schwarz ist ihre Farbe. Es macht mich allerdings nachdenklich, dass Labels in etablierten Kunstkreisen eine so große Rolle spielen. Es ist immer wieder etwas "in".

STANDARD: Wie ist es bei den Künstlern?

Krinzinger: Auch da sieht man, wie genau arrivierte Künstler auf ein perfektes Modeoutfit achten. Wenn jemand etwas von Maison Martin Margiela trägt, ist das sofort ersichtlich.

STANDARD: Kann man sagen, dass Kunst heute so gebrandet ist wie noch nie?

Krinzinger: Das kann man sagen, ja. Aber es gibt natürlich auch jene, die dagegen aufbegehren.

STANDARD: Welche Marken sind besonders begehrt?

Krinzinger: Ich persönlich bin durch Jahre eine treue Issey-Miyake-Anhängerin. Jede Zeit hat ihre Hypes: Margiela war lange sehr angesagt, die Belgier, dann kam Céline etc.

STANDARD: Prada war auch immer ein Favorit.

Krinzinger: Mittlerweile nicht mehr so stark. Der Einheitsbrei ist einem gewissen Pluralismus gewichen.

STANDARD: Wie haben Sie sich in Ihrem Kleid gefühlt?

Krinzinger: Ich finde Vivienne Westwood toll. Wer mich kennt, weiß aber, dass ich so ein Kleid nie tragen würde. Die Selbstironie, die da mitspielt, wenn ich so etwas trage, ist eine Qualität.

Ursula Krinzingers Galerie befindet sich auf der Seilerstätte 16 in 1010 Wien. Aktuelle Ausstellungen: Thomas Zipp und István Csákány.

Ursula Krinzinger in einer Robe von Vivienne Westwood und Sneakers von Adidas by Raf Simons, fotografiert unter Carsten Höllers "Gimpelwaage".

Foto: Irina Gavrich, Styling: Andreas Fischbacher

Christine König: "So grauslich und hässlich"

STANDARD: Wie würden Sie Ihr heutiges Outfit interpretieren?

König: Für mich ist es ein bisschen so, als ob meine Taufpatin, eine Großbäuerin aus Niederösterreich, auf eine Judokämpferin treffen würde. Es gefällt mir, weil man sich darin ganz wunderbar bewegen kann.

STANDARD: Machen Sie sich viele Gedanken über Mode?

König: Eigentlich nein. Ich trage die Kreationen von drei, vier Modeschöpfern. Ich schlüpfe in der Früh rein und weiß, dass ich mich den ganzen Tag nicht mehr darum kümmern muss, was ich anhabe.

STANDARD: Welche Modeschöpfer sind das?

König: Jil Sander seit ewig, Schella Kann seit 35 Jahren, Prada - und von Cos all jene Sachen, die nicht zu weit geschnitten sind.

STANDARD: Haben Künstler einen besonderen Bezug zu Mode?

König: Keiner der Künstler, die ich vertrete, hat irgendeinen Bezug zu Mode. Die ziehen das an, was ihnen gerade unterkommt. Und es schaut immer sehr gut aus. Künstler eben!

STANDARD: Gab es eine Phase in Ihrem Leben, in der Sie modisch experimentiert haben?

König: In den 1970er-Jahren, da war die Mode so dermaßen grauslich und hässlich! Ich habe in dieser Zeit bei der Schriftstellerin Elfriede Gerstl eingekauft, die damals Gewand aus den 1920er- und 1930er-Jahren gesammelt und verkauft hat. Ich habe die schönsten Kleider und Pelzmäntel gehabt. Alle mit Löchern, alle ausgefranst, aber wunderschön.

STANDARD: Hat sich Ihr Stil über die Jahre hinweg verändert?

König: Nein, wenn ich mir Fotos aus meinen 20ern anschaue, dann erkenne ich vieles wieder, was ich auch heute trage.

STANDARD: Sie sind Anfang sechzig. Gibt es auch Sachen, die Sie altersbedingt nicht mehr anziehen?

König: Nein, ich ziehe immer noch das Gleiche an. Als 16-, 17-Jährige habe ich Hotpants getragen, zusammen mit meiner Freundin waren wir die Einzigen in der ganzen Schule. Heute würde ich keine Hotpants tragen, auch wenn ich immer wieder Frauen in meinem Alter sehe, die das machen.

Christine Königs Galerie befindet sich in der Wiener Schleifmühlgasse 1A. Derzeitige Ausstellung: Per Dybvig.

Christine König in Jacke und Hose von Gon, einem Pulli von Cos, Schuhen von Dries Van Noten und einem Body von Wolford, fotografiert im Unterbau des "High Psycho Tank" von Carsten Höller.

Foto: Irina Gavrich, Styling: Andreas Fischbacher

Gabriele Senn: "Mir ist alles wurscht!"

STANDARD: Warum wird in Wien die Galerienszene von Frauen dominiert?

Senn: Es gibt auch international viele Frauen, wobei das Geschlechterverhältnis weltweit relativ ausgewogen ist. Vielleicht ist es ein Zufall, dass es in Wien so viele Frauen gibt.

STANDARD: Unter Künstlern dominieren weiterhin Männer.

Senn: Ja, aber viele Frauen drängen nach. Eine Künstlerin von mir, Cosima von Bonin, hat gerade eine große Ausstellung im Mumok. Es war wichtig, dass Frauen den Mut gefasst haben, selbst in die Öffentlichkeit zu treten. Es gibt viele Pärchen, bei denen der Mann bekannt geworden ist und die Frauen weniger: Gerhard Richter und Isa Genzken oder Raoul Hausmann und Hannah Höch. Das änderte sich oft erst später.

STANDARD: Wir haben bei unserem Shooting die Crème der heimischen Galerienszene versammelt. Wie stark sind die Rivalitäten?

Senn: Es ist ein sehr produktives Verhältnis, denn eines ist klar: Der Kunststandort muss gestärkt werden. Dafür brauchen wir die Kraft von allen. Aber natürlich: Jeder versucht, seine künstlerischen Positionen zu vermitteln. Aber im Großen und Ganzen arbeiten wir sehr konzertiert zusammen - vor allem in den letzten Jahren.

STANDARD: Viele Galeristinnen haben ein sehr gutes Auge für Mode. Warum ist das so?

Senn: Wir befinden uns alle in einem White Cube. Ob man will oder nicht: Man muss sich schön anziehen. Auch die Sammler tun das. Es gab eine Zeit, da waren alle in der Kunst schwarz gekleidet.

STANDARD: Aber das ist mittlerweile vorbei, oder?

Senn: Ja. Es hat mit den Schuhen angefangen, das restliche Outfit hat dann nachgezogen.

STANDARD: Wie haben Sie sich in Ihrem Outfit gefühlt?

Senn: Wunderbar! Es ist ein Kleid, das außerhalb der Arbeitswelt steht. Es hat viel mit Fantasie zu tun, in diesem Kleid hat man eine ganz andere Körperlichkeit.

STANDARD: Wie experimentierfreudig sind Sie?

Senn: Es ist mir eigentlich alles wurscht. Etwas Extravagantes - wunderbar! Nur: Am Ende des Tages muss man auch die Figur für schöne Dinge haben.

Gabriele Senns Galerie befindet sich in der Wiener Schleifmühlgasse 1A. Derzeitige Ausstellung: Michael Riedel.

Gabriele Senn in Kleid und Jacke von Gon, Schuhe Prada, fotografiert wurde sie in Carsten Höllers "Aufzugbett".

Foto: Irina Gavrich, Styling: Andreas Fischbacher

Miryam Charim: "Frauen tun sich leichter"

STANDARD: Gibt es eine Zeit, die Ihnen modisch besonders entspricht?

Charim: Ich mag alles, was heutig ist. Franz West hat zum Beispiel Skulpturen gemacht, die man tragen konnte. Oder die One Minute Sculptures von Erwin Wurm. Mir fällt auf, dass sich besonders viele österreichische Künstler für Mode interessieren.

STANDARD: Welchen künstlerischen Positionen fühlen Sie sich nahe?

Charim: Frauen, die sich mit Politik und Feminismus auseinandersetzen. In der Mode sprechen mich dagegen eher Männer an.

STANDARD: Warum das?

Charim: Ihre Kreationen stehen mir besser. Dries Van Noten liebe ich besonders. Helmut Lang hat mir vor 33 Jahren ein Schwangerschaftskleid gemacht.

STANDARD: Haben Sie sich immer schon für Mode interessiert?

Charim: Wenn ich ein bisschen Geld hatte - früher war das leider nicht so üppig -, habe ich mir sofort überlegt, ob ich mir ein Bild kaufe oder etwas zum Anziehen. Als ich jung war, habe ich öfters in schicke Outfits investiert, jetzt kaufe ich mir lieber ein Kunstwerk.

STANDARD: Was zeichnet eine gute Galeristin aus?

Charim: Man muss ein Gefühl haben für Dinge, die in der jeweiligen Zeit wichtig sind. Man muss Künstler auswählen, die Themen bearbeiten, die relevant sind. Es geht nicht nur um das Ästhetische, die Haptik oder das Medium, sondern darum, was vermittelt wird - um die Gedanken, die Fantasie.

STANDARD: Warum gibt es so viele Galeristinnen, zumal in Wien?

Charim: Es ist oft sehr schwer, mit Künstlern umzugehen, das sind oft sehr besondere Persönlichkeiten, Menschen, die keine Kompromisse machen wollen. Vielleicht tun sich da Frauen oft leichter.

STANDARD: Wer ist der bestangezogene Künstler?

Charim: Der allerschönste war Walter Pichler, er hat schon früh Maßanzüge und genagelte Schuhe getragen. Bei Frauen tu ich mir schwer, Künstlerinnen wollen sich oft nicht durch ihre Outfits definieren. Wobei: Jemand wie Valie Export ist immer für ein gutes Outfit gut.

Miryam Charims Galerie befindet sich in der Dorotheergasse 12 in Wien. Derzeitige Ausstellung: Damona von Tamuna Sirbiladze.

Miryam Charim in einem Oberteil von Ann Demeulemeester, Kopfteil stylists own, fotografiert in der Wendeltreppe von Carsten Höllers "High Psycho Tank".

Foto: Irina Gavrich, Styling: Andreas Fischbacher

Text & Produktion: Stephan Hilpold
Fotos: Irina Gavrich
Styling: Andrea Fischbacher

(Rondo, DER STANDARD, 5.12.2014)

Foto: Irina Gavrich, Styling: Andreas Fischbacher