Wer sich Gedanken darüber macht, was Zeit ist, kommt schnell auf die Dinge, die in und mit der Zeit verschwinden. Einigermaßen aktuell, sozusagen zeitgerecht, hat sich der in Wien-Hadersdorf geborene Schreiber Beppo Beyerl mit diesem Phänomen befasst und ein kleines, feines Sammelsurium an, wie er es nennt, "Verschwindungen" zusammengetragen, 26 an der Zahl, von A wie Arbeiter- Zeitung bis Z wie Ziegelbehm. Ja, sicherlich, nostalgisch mutet das kleine Projekt schon an, wenn der Autor sich ins vergangene Jahrhundert hineingräbt. Aber Beyerl rzählt ganz ohne melancholisches Pathos, ohne fast ganz ohne kulturpessimistische "Früher-war-alles-besser-Haltung. Vornehmlich heiter beschreibt Beyerl zum Beispiel die einstige Institution "Bahnhofsresti", die in ziemlich allen neuen Bahnhöfen unterirdischen Gängen mit Shoppingmalls und Fastfood- und Bäckereiketten weichen musste.

Durchaus fachmännisch, wenn nicht sogar wissenschaftlich nähert sich der Autor Gegenständen, die den vergleichsweise Jüngeren unter den Zeitgenossen wahrscheinlich nicht mehr viel sagen wird, wie zum Beispiel (für C) der Coloniakübel. Verschwunden ist vieles schon, und es verschwindet vieles beständig weiter: Straßenbahnlinien, Gendarmerieposten, Hausmeister, Linienämter, die heute weitgehend unbekannte Nurfünfwörteransichtskarte (weil billiger!) und natürlich die öffentliche Uhr, für die Beyerl auf den Stadtforscher Peter Payer (siehe Text rechts) verweist.

Beyerl beschreibt wunderbar Geschichte mit wunderbaren Geschichten, auch sprachlich bewegen wir uns auf aussterbendem Terrain zwischen Untergate und Hofrat ehrenhalber, gelungenen Doppel-W-Alliterationen wie Wacker Wien (der einstige Fußballklub) und ehemals beeindruckenden technischen Errungenschaften wie der Xerokopie.

Den Schluss machen die Ziegelbehm, wie im 19. Jahrhundert die Arbeiter aus Böhmen, Schlesien und Mähren hierzulande genannt wurden. Deren Elend wurde anno dazumal in der "Arbeiter-Zeitung" aufgeschrieben. Da schließt sich das Verschwindungs-ABC. Schön, dass sich dafür jemand Zeit genommen hat. (Mia Eidlhuber, Album, DER STANDARD, 6./7./8.12.2014)