In Sachen Kinder-Reha besteht Handlungsbedarf in ganz Österreich.

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Was für Erwachsene eine Selbstverständlichkeit ist, was in den Nachbarländern Deutschland und der Schweiz schon längst institutionalisiert ist, gibt es in Österreich für Kinder einfach nicht. Auch wenn kein Zweifel daran besteht, dass nach einer langen, schweren Erkrankung eine Rehabilitation zur weiteren Genesung des Patienten notwendig ist, fehlen in Österreich entsprechende Einrichtungen für Kinder und Jugendliche.

Bisher blieb die Nachversorgung den Eltern überlassen, da sich Länder und Sozialversicherung jahrelang nicht auf eine Finanzierung einigen konnten. Diesen Sommer kam es nun zu einem Grundsatzbeschluss: Ab 2015 sollen 33 Millionen Euro in den Aufbau von Reha-Zentren für Null- bis 18-Jährige pro Jahr investiert werden.

Verworrene Rechtslage

Ein Erfolg, an dem sich Markus Wieser nicht ganz unbeteiligt sieht. 2009 hat er als betroffener Vater den Förderverein Kinder- und Jugendrehabilitation in Österreich gegründet. Als seine Tochter nach sechs Monaten und überstandener Leukämie aus dem St. Anna Kinderspital in Wien entlassen wurde, endete für die Familie Wieser die professionelle Betreuung. Er und seine Frau mussten selber ein Rehabilitationsprogramm auf die Beine stellen, fuhren die Tochter von Therapie zu Therapie.

So wie den Wiesers geht es jedes Jahr hunderten anderen Eltern auch. Als Gründe, warum junge Patienten keinen Leistungsanspruch auf Nachversorgung haben und somit auch keine speziellen Reha-Zentren existieren, sind die komplizierte Rechtslage sowie unterschiedliche Zuständigkeiten.

Laut Allgemeinem Sozialversicherungsgesetz dient die Reha nach einer Erkrankung der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, weshalb nur Erwachsene einen Anspruch auf einen der 9000 Plätze haben. Nach Unfällen hingegen besteht für Schüler oder Lehrlinge sehr wohl dieser Anspruch. Überwiesen werden können sie freilich nur in Erwachseneneinrichtungen.

Bedarf ermitteln

Damit aber nicht genug: Bei Kindern wird auch noch zwischen angeborener und erworbener Erkrankung unterschieden. Trifft erster Fall zu, so sind die Länder für die Kostenübernahme zuständig, im zweiten Fall liegt dies im Ermessen der Krankenversicherung. Und in diesem Kompetenz-Wirrwarr bleiben die hilfsbedürftigen Kinder hängen, musste Wieser feststellen.

Ungeachtet dessen sollte überhaupt erst einmal der Bedarf für Kinder-Reha-Plätze ermittelt werden, war eine der ersten Forderungen des privaten Vereins. 2010 führte die Gesundheit Österreich (GÖG) im Auftrag des Gesundheitsministeriums eine Bedarfserhebung für die stationäre Rehabilitation durch. Das Ergebnis: Österreich braucht 343 Betten.

Zumindest die Bundespolitik diagnostizierte nun aufgrund der Fakten Handlungsbedarf. So wurden im Rehabilitationsplan 2012 auf Basis der GÖG-Studie erstmals nicht nur die Bedarfszahlen bis 2020, sondern auch gleich die Qualitätskriterien für die neuen Zentren festgehalten. Die Einigung über die Finanzierung im Juli dieses Jahres war ein erster Schritt zur Umsetzung des Plans.

Ein Antrag bei der Kasse

Von den jährlich 33 Millionen Euro für die Schaffung der notwendigen Plätze übernehmen die Länder 8,5 Millionen Euro. Auch den Leistungsanspruch auf die Nachversorgung gibt es ab dem nächsten Jahr. Egal, warum ein Kind dann einen Reha-Platz benötigt, die Eltern müssen nur mehr bei der jeweiligen Krankenkasse einen Antrag stellen.

Diese Vereinbarung ist jedoch nur ein Etappensieg. Denn unter den Ländern hat inzwischen ein Gezerre um die Standorte für die Zentren begonnen, wie ein Sprecher des Hauptverbandes der Sozialversicherungen bestätigt. Laut Reha-Plan soll es folgende vier Versorgungszonen geben: West (Vorarlberg, Tirol), Nord (Salzburg, Oberösterreich), Ost (Wien, Niederösterreich, Burgenland) und Süd (Steiermark, Kärnten).

Beim Hauptverband werden die Projekte eingereicht und geprüft. Vorgabe ist, dass die Zentren bestehenden medizinischen Einrichtungen angeschlossen werden. Für die Zone Ost konkurrieren Wien mit dem Rosenhügel und Niederösterreich mit Bad Erlach, heißt es aus dem Hauptverband. Auch Salzburg und Linz seien sich nicht einig. Ob noch, wie geplant, im Dezember eine Entscheidung fällt, sei ungewiss.

Wieser versucht jedenfalls aufs Tempo zu drücken. Damit wenigstens 2016 in Österreich erstmals Kinder und Jugendliche speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Reha-Plätze in Anspruch nehmen können, brauche es bis spätestens Anfang 2015 eine Entscheidung, wo die vier Zentren entstehen sollen. (Kerstin Scheller, DER STANDARD, 10.12.2014)