Formal reduzierte Arbeiten von Künstlern wie Ad Reinhardt, Tom Burr (vorne) und Daniel Buren (re.).

Foto: Laurent Ziegler

Florian Pumhösl in der Ausstellung "Gegenwart der Moderne".

Foto: Robert Newald

Wien - Nein, vor der eigenen Arbeit möchte Florian Pumhösl schon prinzipiell lieber nicht für ein Porträtfoto posieren. Und zumindest angesichts der Serie Diminution scheint es, als hätte der 43-jährige Künstler bereits im Atelier dafür gesorgt, dass etwaige Versuche, ihn doch davor abzulichten, zum Scheitern verurteilt sind: Die Serie besteht aus 48 Glasplatten, auf die jeweils Gruppen von zarten schwarzen Linien gezeichnet sind. Sie entziehen sich gar leicht dem Kameraauge. Man könnte meinen, das Understatement Pumhösls sei auch der Arbeit eingeschrieben.

Wenn man leibhaftig vor Diminution steht (einer Arbeit, die auch in Pumhösls Personale 2011 zu sehen war), sind die kargen Geraden- und Kurvenfragmente dann trotz ihrer Fragilität allerdings ziemlich präsent. Sie fangen souverän den Blick, um ihn ins Leere zu führen. Oder: zum folgenden Bild der Serie, wo die jeweilige Linienkonstellation weiterentwickelt wird. Das Prinzip, das dieser Entwicklung zugrunde liegt, hat Pumhösl aus der Musik entlehnt: Diminution meint die Variation eines Motivs durch Verminderung und Verkleinerung.

Hab mich gerne, Postmoderne

Mit seiner Serie, die an eine Abfolge von Filmbildern erinnert, möchte Pumhösl unter anderem Erwartungshaltungen unterlaufen: "Bei einer modernen oder modernistischen Serie geht man davon aus, dass sie größer und lauter wird", sagt er. In der Mumok-Sammlungspräsentation Die Gegenwart der Moderne, wo derzeit ein Teil von Diminution zu sehen ist, muss man sich nur umdrehen, um zu verstehen, was Pumhösl meint: Fuge in Rot und Grün nennt sich ein Gemälde des Dadaisten Hans Richter, auf dem sich geometrische Figuren vervielfachen, aufblasen, auftürmen.

Derlei Beziehungen zwischen älteren und jüngeren Positionen sichtbar zu machen ist ein Ziel der Ausstellung Die Gegenwart der Moderne. Mit ihrer Neuaufstellung der Kollektion wollen die Kuratorinnen Susanne Neuburger und Katharina Schendl überprüfen, wie aktuell das utopische Projekt der Moderne noch ist. Zu diesem Zweck lassen sie Positionen der Klassischen Moderne und des Futurismus auf die Avantgarden der 1960er-Jahre und Post-Minimal-Art, aber auch auf Künstler der Gegenwart treffen.

Zu sehen ist zum Beispiel die Arbeit Color Corrected Studio (with Window) von John Baldessari: Der US-Amerikaner zitierte 1972/73 die für Mondrian typische geometrische Bildstruktur, als er auf einem Foto seines Studios die Fenster übermalte. Der Vertreter der Klassischen Moderne ist im Mumok gemeinsam mit Baldessari präsentiert. Solche Konstellationen, in denen "extrem ortsspezifische" und klassische Arbeiten, die unser Bild vom Raum im 20. Jahrhundert geprägt haben, aufeinandertreffen, reizen Pumhösl besonders.

In der Beziehung Pumhösl/ Richter lassen sich unterdessen noch mehr Verbindungslinien ausmachen. Hans Richter ist nicht nur als Erschaffer serieller Progressionen, die auf musikalischen Prinzipien beruhen, ein Bezugspunkt: Diminution ist nämlich überraschenderweise auch eine Studie zur abstrakten Darstellung von Köpfen - und bezieht sich als solche auch auf die Dada-Köpfe Richters. Pumhösl hat die Abstraktion dabei ziemlich weit getrieben; es interessierte ihn, wie weit man gehen könne, ohne auf die Behauptung von Individualität und Physiognomie zu verzichten.

Pumhösl sucht allerdings keinen "stilistischen Anschluss", sondern möchte das "stilistische Prinzip" reflektieren: "Für mich sind Zugänge zum abstrakten Bild interessanter, die sich noch mit anderen Problemen abmühen, als nur damit, eine bestimmte Form zu zeigen." Die wichtigste Errungenschaft der Moderne ist für ihn denn auch weniger die Abstraktion an sich als vielmehr das Schaffen neuer Freiräume für die Imagination - der Umstand, dass ein Kunstwerk nichts mehr bedeuten muss: "Das ist das, was wirklich nachwirkt."

Konzert mit Cory Arcangel

Im Rahmen von Gegenwart der Moderne findet auch ein Konzert mit Cory Arcangel statt. Der 1978 in New York geborene bildende Künstler entwickelt seine Arbeiten aus Elementen der Internetkultur, aus Pop- wie experimenteller Musik, Videospielen und Computerprogrammen und nutzt dafür sowohl Programmierkenntnisse als auch seine Erfahrung als Musiker. Arcangel interessiert sich insbesondere für technologische Aspekte von Musik und deren Einfluss auf die Kunst. Nach Konzerten in London und Berlin wird Dances for the Electric Piano erstmals in Österreich aufgeführt (mit Hampus Lindwall am Synthesizer). (Roman Gerold, Spezial, DER STANDARD, 19.12.2014)