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Prinz Andrew verliert den Rückhalt in Großbritannien.

Foto: EPA/FACUNDO ARRIZABALAGA

Erfahrung im Umgang mit Affären rund um Prinz Andrew, den zweiten Sohn von Königin Elizabeth II, hat das britische Königshaus zur Genüge, sie lassen sich meist schnell vom Tisch bringen. Diesmal aber haben nicht einmal zwei Stellungnahmen des Buckingham-Palastes der Berichterstattung rund um Andrews Partys mit einem verurteilten Sexualverbrecher ein Ende bereitet.

Nun brechen auch noch Politiker das Schweigen, das sonst royale Angelegenheiten umgibt. Seinen üblichen Besuch beim World Economic Forum (WEF) in Davos solle der Herzog von York diesmal doch lieber unterlassen, finden Abgeordnete von Liberaldemokraten und Labour. Der Prinz müsse sich "derzeit diskret" verhalten, glaubt der frühere liberale Parteichef Menzies Campbell.

Anders als sonst geht es diesmal nicht um die schwer beweisbare Verschwendung von Steuergeldern, sondern um einen strafrechtlichen Vorwurf. Die heute 30-jährige Virginia Roberts hat in West Palm Beach (Bundesstaat Florida) eine Privatklage gegen Andrews früheren Freund, den New Yorker Hedgefonds-Milliardär Jeffrey Epstein, eingereicht. Als 17-Jährige sei sie von Epstein "zur Sexsklavin gemacht" und zum Geschlechtsverkehr mit dem Prinzen gezwungen worden. Berichte über diesen Vorgang werden in der Londoner Presse stets von einem Foto aus dem Jahr 2001 begleitet: Da haben der damals 41-jährige Prinz und die junge Frau vertraut den Arm um die Taille des jeweils Anderen gelegt.

Die Polizei in Florida sammelte vor zehn Jahren die Aussagen von 40 meist minderjährigen Frauen. Das Verfahren endete 2007 mit einer Verurteilung Epsteins wegen Beihilfe zur Prostitution in einem einzigen Fall. Von der 18-monatigen Gefängnisstrafe musste der Geschäftsmann 13 Monate absitzen. Roberts und andere Epstein-Opfer wollen das Verfahren gegen den Geschäftsmann jetzt wieder aufrollen. Es gehe ihnen um die Gerechtigkeit, daher die Klage mit PR-Offensive.

Palast: "Unwahre Vorwürfe"

Epstein beschuldigt die Frauen und deren Anwälte, diese seien "Lügner und Goldgräber", also nur hinter seinem Geld her. In Andrews Namen nannte der Palast die Vorwürfe gegen den Prinzen "vollkommen unwahr". Auch habe Andrew nicht, wie ebenfalls behauptet, zu Epsteins Gunsten bei den US-Behörden interveniert. "Der Prinz würde sich niemals in ein laufendes Verfahren einmischen."

So weit, so unappetitlich. Die Londoner Zeitungen würden die Sache wohl auf sich beruhen lassen - wie sie das 2011 taten, nachdem Andrew als offizieller Handelsbeauftragter Großbritanniens zurückgetreten war. Doch seither hat sich die Sensibilität des Landes in Bezug auf Sexualverbrechen gegen Kinder und Jugendliche völlig verändert. Überlebende Opfer des Missbrauchs haben vielfach von Misstrauen oder sogar von Ablehnung der Behörden berichtet. Deshalb trifft Epstein-Opfer Roberts einen wunden Punkt: "Ich lasse mich nicht wieder durch Einschüchterungen zum Schweigen bringen."

Andrew hat sich zuletzt von öffentlichen Auftritten ferngehalten, ist aber weiterhin für britische Firmen unterwegs. "Ich habe erlebt, wie der Mann für unser Land wirbt und britischen Unternehmen hilft", lobt ihn der Londoner Bürgermeister. Privat wirken die Verhältnisse geordnet. In Windsor lebt er mit seiner geschiedenen Frau Sarah Ferguson, 55, im gleichen Haus; sie seien "das glücklichste geschiedene Paar der Welt", findet "Fergie", wie sie im Volksmund genannt wird. (Sebastian Borger aus London, DER STANDARD, 13.1.2015)