Am 15. Februar 2013 explodierte rund 30 Kilometer über der russischen Millionenstadt Tscheljabinsk ein großer Meteor. Einige seiner Bruchstücke durchschlugen die Eisdecke eines Sees und konnten geborgen werden.

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Ein Bruchstück des Tscheljabinsk-Meteoriten wird im Meteoritensaal des Naturhistorischen Museums ausgestellt. Eine Analyse kosmogener Radionuklide bracht nun eine Überraschung zutage.

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Wien - Im Februar 2013 explodierte im Ural über der russischen Millionenstadt Tscheljabinsk der größte bekannte Meteor seit über 100 Jahren. Die Druckwelle hatte rund 7.000 Gebäude in der Region beschädigt. Zerplatzte Fensterscheiben verletzten etwa 1.500 Menschen. In den Wochen und Monaten danach wurden mehr als 100 Bruchstücke des Meteoriten gefunden, zum Teil Hunderte Kilogramm schwer. Der Stein aus dem All soll ursprünglich ein Gewicht von 10.000 Tonnen gehabt haben. Mindestens 76 Prozent des Meteorits sind bei der Explosion verdampft.

Frühere Analysen des Gesteins hatten ergeben, dass der Meteorit von Tscheljabinsk nur ein Bruchstück eines noch größeren Brockens war. Nun wurden erstmals auch Radionuklid-Analysen vorgenommen. Die Ergebnisse bestätigten die vorangegangenen Untersuchungen und brachten außerdem Überraschendes zutrage.

Erste Radionuklid-Analysen

Die Wissenschafter um Kosmochemiker Christian Köberl haben ein Dutzend Fragmente des Tscheljabinsk-Meteoriten untersucht. Sie konzentrierten sich dabei auf die Analyse sogenannter kosmogener Radionuklide in den Überresten. Diese radioaktiven Atomsorten entstehen durch die Interaktion des Meteoriten mit der kosmischen Strahlung und verraten viel über Größe, Aufbau und Alter des Objekts.

Petrografische Untersuchungen zeigten, dass der Meteorit bereits vor dem Eintritt in die Erdatmosphäre "sehr stark brekziiert" - also im inneren Aufbau zerbrochen - gewesen sein muss, was teilweise bestimmend für die starke Explosion und Zersplitterung des Objekts war, sagte Köberl, Generaldirektor des Naturhistorischen Museums (NHM) Wien. Dieser brüchige Ausgangszustand sei das Resultat einer Kollision im Asteroidengürtel, die schließlich auch dazu geführt hat, dass der Meteorit in Richtung des inneren Sonnensystems gelangt ist.

1,2 Millionen Jahre lange Reise

Die Radionuklide verrieten weiters, dass die Reise des Objekts vom Asteroidengürtel bis zur Erde rund 1,2 Millionen Jahre gedauert hat. Zudem konnten die Wissenschafter aufgrund der nachgewiesenen großen Bandbreite von Radionuklid-Konzentrationen auf ein Objekt mit einem Mindestmaß von zehn Metern Durchmesser schließen - ein Ergebnis, das mit der aus der Explosionsenergie errechneten Größe des Meteoriten von 15 bis 20 Metern gut übereinstimme.

C14 weist auf Atomunfälle hin

Das überraschendste Ergebnis zeigte aber die Analyse des Kohlenstoff-Isotops C14. "Dessen Konzentration in den Proben war so hoch, dass das nicht durch die kosmische Strahlung, sondern nur durch anthropogene Strahlungsquellen erklärbar ist", betonte Köberl, für den die Kontamination "überraschend ist, da die Meteoritenfragmente nur wenige Woche im Boden lagen".

Als mögliche Ursachen geben die Forscher im Fachblatt "Meteoritics & Planetary Science" Nuklearunfälle in der Region an, etwa der Kyschtym-Unfall, bei dem 1957 in der im Bezirk Tscheljabinsk gelegenen Atomanlage Majak ein Tank für radioaktive Abfälle explodierte. Die Anlage ist nach wie vor aktiv. Zudem seien zwischen den 1940er- und 1960er-Jahren immer wieder radioaktive Abfälle in der Gegend deponiert worden. (APA/red, derStandard.at, 19.01.2015)