Tenochtitlán oder Mexiko-Stadt: Geht es nach Ortman und Kollegen, weist deren Stadtentwicklung erstaunliche Parallelen auf.

Illu: SFI/ Gabriel Garcia

Boulder - Historische Siedlungen haben sich auf eine vergleichbare Weise entwickelt wie moderne Städte. Darauf deutet eine Analyse von Ausgrabungsdaten aus Mexiko hin, wie US-Forscher im Fachmagazin "Science Advances" berichten: Scott Ortman von der Colorado-Universität in Boulder und seine Kollegen nutzten eine Theorie, nach der menschliche Siedlungen wie im Raum eingebettete soziale Netzwerke funktionieren.

"Urban Scaling" heißt das Phänomen, das an modernen Metropolen bereits eingehend untersucht wurde. Es besagt, dass in wachsenden Städten der Wohlstand der Menschen schneller steigt als die Einwohnerzahl. Oder anders ausgedrückt: Je größer eine Stadt ist, desto stärker floriert die Wirtschaft. Und diese Verbesserung erhöht sich überproportional zum Bevölkerungswachstum.

Umfassende Datenanalyse

Die Forscher stützen ihre aktuelle Studie auf Daten von etwa 4000 Ausgrabungsstätten, die zwischen 1960 und 1975 im Tal von Mexiko vorgenommen worden waren - bevor sich Mexiko-Stadt dort ausbreitete. Analysiert wurden die Dimensionen von tausenden Gebäuden und Siedlungsstrukturen, um Rückschlüsse auf die Bevölkerungsdichte, die einstigen Infrastrukturen, deren Nutzung und Weiterentwicklung ziehen zu können.

Die Siedlungen wurden vier Epochen zugerechnet: 1150 vor unserer Zeitrechnung bis zum Jahr 150 entstanden erste lokale Gemeinwesen. Im klassischen Zeitalter (150 bis 650) dominierte die Stadt Teotihuacan mit etwa 100.000 Einwohnern das Tal von Mexiko politisch und wirtschaftlich. Im toltekischen Zeitalter (650 bis 1200) gab es eine Reihe von kleineren Städten, die in Konkurrenz zueinander standen. Tenochtitlán mit rund 200.000 Einwohnern war schließlich das Zentrum des Aztekenreiches (1200 bis 1520), als die spanischen Eroberer kamen.

Vorteile überwiegen

Das Ergebnis der Analyse: Je größer die Siedlungen wurden, desto mehr stieg auch deren Produktivität. Entscheidend seien dabei die mit zunehmender Einwohnerzahl immer größeren menschlichen Netzwerke, so die Forscher. Denn die Vorteile dieser Netzwerke seien größer als der Aufwand für den Ausbau der Infrastruktur - was für die Stadtentwicklung bis heute gelte.

Die Forscher fanden Hinweise auf eine Produktivitätssteigerung in allen vier Epochen. "Das verstärkt unsere Sichtweise, dass Siedlungen zu allen Zeiten und an allen Orten auf dieselbe Weise funktionieren, indem sie stark wechselwirkende soziale Netzwerke aufweisen", so Ortman. Freilich leiste dies, damals wie heute, auch negativen Effekten Vorschub - etwa der Ausbreitung von Infektionskrankheiten oder zunehmender Kriminalität. (dpa/red, derStandard.at, 23.2.2015)