Seit dem ersten "SimCity" aus dem Jahr 1989 können Gamer in die Rolle des virtuellen Städteplaners schlüpfen und die eigene Provinz beim Aufschwung und Niedergang beobachten. Als bisheriger Genre-Höhepunkt gilt das mittlerweile zwölf Jahre alte "Sim City 4". Danach mussten Fans der Reihe lange warten und wurden mit "SimCity" (2013) von EA und Maxis enttäuscht. Auch die "Cities"-Serie von Monte Cristo konnte "SimCity 4" nie das Wasser reichen. Mit "Cities: Skylines" haben Publisher Paradox Interactive und Entwicklerstudio Colossal Order viel daran gelegt, die Herzen der Städtebauer zu gewinnen.

Mods können bereits eingespielt werden und bieten unter anderem eine Erweiterung der Spielekarte auf 100 Quadratkilometer.
Screenshot: Daniel Koller/derStandard.at

Bekannter Einstieg

Der Einstieg in das Game dürfte "SimCity"-Spielern einfach fallen. Aller Anfang ist eine Straße ins Nirgendwo, die weitergeführt und mit Wohn-, Einkaufs- und Industriegebieten erweitert werden muss. In der frühen Phase des Spiels sind die Möglichkeiten noch eingeschränkt. Kleinere Häuser, Geschäfte und Schwerindustrie dominieren die ersten Stadtviertel. Wo gewohnt und gearbeitet wird, braucht es Frischwasser, ein Abwassersystem und Strom. Im Gegensatz zu "SimCity" (2013) muss die Kanalisation und Wasserzufuhr eigenständig verlegt werden.

Im Laufe des Spiels wird man auch nicht müde, ständig seine Stadt auszubauen, zu vergrößern und zu verbessern und mit steigenden Einwohnerzahlen sukzessive neue Funktionen freizuschalten. Das weckt den Ehrgeiz, immer weiter zu machen. Boden-Ressourcen, Inseln und bezahlbares Zusatzland können außerdem erschlossen und bebaut werden, was den Optimierungs- und Bau-Trieb weiters in die Höhe treibt.

Das erste Stadtviertel entsteht. Das Wasser wird übrigens physikalisch berechnet.
Screenshot: Daniel Koller/derStandard.at

Taktik statt Bankrott

Umso mehr Bewohner die Stadt besiedeln, umso lauter wird der Ruf nach Feuerwehr, Polizei und medizinischer Versorgung. Man sollte darauf achten, eine ausbalancierte Versorgung herzustellen, um seine eigene Stadt nicht in den Ruin zu treiben. Modulares Bauen, also beispielsweise eine Polizeistation mit zusätzlichen Zellen und Einsatzwagen auszustatten, ist bei "Cities: Skylines" nicht möglich. Stößt eine Einsatzstation an ihre Grenzen ist es einerseits möglich, mehr Geld in die Versorgung zu investieren oder auf den Bau eines zweiten Gebäudes auszuweichen.

Im späteren Verlauf des Spiels sind Geldsorgen dann eher nebensächlich. Geld fließt trotz ständiger Investitionen weiterhin in die Stadtkasse. Hierbei zeigt das Spiel noch einiges an Verbesserungsbedarf, um den Langzeitspielspaß nicht zu vermiesen. Mittels Modding kann der Schwierigkeitsgrad bereits deutlich angekurbelt werden, trotzdem wäre eine erschwerte Haushaltspolitik durchaus wünschenswert.

Sämtliche Einheiten des Spiels können umbenannt werden. Dies reicht von Familien, einzelnen Bewohnern und Stadtvierteln bis zu Kühen oder Fahrzeugen.
Screenshot: Daniel Koller/derStandard.at

Perfekte Verkehrsplanung

Da die "Cities: Skylines"-Macher hinter dem Verkehrssimulatorserie "Cities in Motion" stehen, ist es nicht verwunderlich, dass der Straßenbau und der Bau des öffentlichen Nahverkehrs nahezu perfektioniert wurde. Die Verlegung der Straßen wurde sehr einfach gestaltet, trotzdem ist es möglich, komplexen Konzepten nachzugehen, die im Laufe der Zeit auch nötig sind, um nicht ein Verkehrschaos zu verursachen.

Gegensteuern kann man außerdem mit dem Ausbau des öffentlichen Bus- und U-Bahn-Netzes. Dieser hat durchaus Einfluss darauf, ob die Bewohner lieber mit dem Auto oder öffentlich pendeln. Während es anfangs egal ist, wie und wohin die Straßen verlegt werden, muss nach einer Weile ein durchdachtes Konzept her, um nicht komplett im Verkehrschaos zu versinken. Die Spieltiefe beim öffentlichen Verkehr tut dem Game gut. Es braucht einen klaren Plan und ein gewisses Fingerspitzengefühl, um den Verkehrsfluss nicht lahm zu legen.

Die Verkehrsplanung ist ein wichtiger Baustein für eine erfolgreiche Stadt. Besonders der öffentliche Verkehr sollte ausgebaut und ständig verbessert werden.
Screenshot: Daniel Koller/derStandard.at

Es geht auch größer

Damit wurde ein Fundament für einen unterhaltsamen und absolut nachvollziehbaren Spielaufbau gelegt, den das jüngste "SimCity" bei all seiner Feature-Flut vermissen ließ. Und in noch einem Punkt haben sich die Schöpfer auf das Wesentliche fokussiert: die Größe der Spielkarte. Bei dem Electronic Arts-Titel standen bei einer Stadt nur 4 km2 Bauplatz zur Verfügung. Dem gegenüber stehen bei dem "Skyline" insgesamt 36 km2 Spielfläche. Diese lässt sich dank eines bereits downloadbaren Mods noch dazu auf 100 km2 ausweiten.

Mit dieser riesigen Baufläche ist bislang die Gesamteinwohnerzahl von einer Million möglich. Zwar sind dies keine Megametropolen, doch eine deutlich realistischere Skalierung als beim eingeschränkten Spielfeld "SimCitys". Um dies zu erreichen ist jedoch einiges an gezielter Arbeit nötig. Die Bewohner von "Skylines" reagieren gegenüber "SimCity" nämlich deutlich empfindlicher auf Krankheiten, Bodenverschmutzung und Lärm. Herrscht über einen längeren Zeitraum Unzufriedenheit stehen Häuser, Geschäfte und Unternehmen bald leer. Dabei wurde die richtige Balance getroffen, wenngleich das Einwohner-Maximum etwas gering angesetzt ist. Ein Mod ist laut der Community bereits in Arbeit.

Die Spielkarte kann erweitert und mit Stadtvierteln kategorisiert werden. Der kleine blaue Vogel in der Mitte des Bildes zeigt "Chirpas", das ganz an Twitter angelehnt ist und mittels Tweets Informationen zur Stadt liefert.
Screenshot: Daniel Koller/derStandard.at

Eigene Viertel erstellen

Weitere Neuerung gegenüber älteren Städtebausimulatoren ist die Erstellung von Stadtvierteln. Diese helfen einerseits die Übersicht zu bewahren, andererseits dabei, eigene Regeln und Gesetze nur für Teile der Stadt festzulegen. Taktisch richtig angewendet, hilft dies etwa, die Zufriedenheit in einem Viertel anzukurbeln oder die Kriminalität oder Brandgefahr zu vermindern.

Eine Ungereimtheit fällt in diesem Zusammenhang allerdings auf: Die unterschiedliche Entwicklung, wie etwa die Bildung von Ghettos oder Reichenbezirken, wird optisch nicht dargestellt. Entgegen der sonst realitätsnahen Spielgestaltung wohnen sämtliche Bewohner in einem halbwegs schönen Haus und sind der oberen Mittelschicht zuzuordnen. Zwar sind die Bewohner von "Cities: Skylines" deutlich kritischer und verlassen die Stadt aufgrund verschiedener Störfaktoren schneller, trotzdem entwickeln sich alle Stadtteile gleich - auch wenn sie etwa neben Schwerindustrie oder Autobahnen errichtet wurden.

Die Verschmutzung der Schwerindustrie hat langfristige Folgen für den Boden.
Screenshot: Daniel Koller/derStandard.at

Laufende Entwicklung

Unterschiedliche Jahreszeiten, Tag- und Nachtwechsel, ein Mehrspielermodus sowie Katastrophen vermisst man bei "Cities: Skylines" gegenüber vergangener Simulationen ebenso. Dies steht auf der Prioritätenliste der Entwickler jedoch weit oben. Diese zeigen sich auf Reddit und den eigenen Foren überhaupt als gute Community-Zuhörer, die Ideen einpflegen und auf Feedback reagieren.

Der Support von Mods beim Start des Spiels soll zudem dafür sorgen, dass das Spiel ständig mit neuen Elementen erweitert werden kann. Eine "Always-on"-Verbindung wird dafür nicht vorausgesetzt.

Einzigartige Gebäude verschönern die Stadt und erhöhen dadurch Tourismus und Zufriedenheit.
Screenshot: Daniel Koller/derStandard.at

Grafik überzeugt

In Punkto Grafik kann hingen nur wenig kritisiert werden. Die Stadt macht einen lebendigen Eindruck, der Alltag einzelner Bewohner kann mittels Zoom verfolgt werden und einzigartige Gebäude und Parks verschaffen der eigenen Provinz zusätzliche Schönheit und Wiedererkennungswert.

Unschön fällt hingegen die teils optische Monotonie auf: Gleichaussehende Fahrzeuge und Gebäude findet man öfters im Spiel. Auch hier wurde jedoch vonseiten der Entwickler Verbesserung gelobt, Mods schaffen bereits Abhilfe.

Die Stadt wächst und wird minütlich lebendiger.
Screenshot: Daniel Koller/derStandard.at

Keine Performance-Probleme

Obwohl das Spiel im Laufe der immer größer werdenden Stadt zunehmend Ressourcen fordert, konnten gegenüber der "Cities"-Reihe im Tests keine Performance-Einbrüche beobachtet werden. Bei einem Windows-Rechner mit einem AMD FX8350-Prozessor und einer Radeon R9 270X Sapphire verblieb die Bildrate bei den höchsten Grafikeinstellungen und einer Stadt mit zehntausenden Einwohnern bei konstanten 50 Bildern pro Sekunde. Etwaige Beschwerden von Spielern mit deutlich größeren Städten blieben in den Support-Foren und Reddit bisher aus. Auch die empfohlenen Hardwareanforderungen zeigen, dass das Spiel kein allzu großer Ressourcenfresser ist.

Der Trailer zum Spiel.

Fazit

Bei "Cities: Skylines" wurde bereits zum Start sehr vieles richtig gemacht, jedoch auch noch viel Potenzial nicht ausgeschöpft. Als besonders positiv und herausfordernd kann die Verkehrs- und Stadtplanung angesehen werden. Durch die Größe der Städte, herausfordernder Bewohner und im Laufe des Spiels freischaltbarer Elemente dürften Fans von Städtebau-Simulationen, sowie Neulinge lange vor dem Rechner gefesselt werden. Ein Manko sind die zu einfache Haushaltspolitik, die etwas zu monotone Optik und vor allem die optisch undifferenzierte Entwicklung der Stadtviertel sowie der fehlende Multiplayer-Modus. Der Wegfall von Jahreszeiten, Tag- und Nacht-Wechsel ist noch zu verschmerzen - hauptsächlich weil hierbei und bei weiteren genannten Kritikpunkten Verbesserung vonseiten der Entwickler versprochen wurde. Durch den bereits bestehenden Modding-Support kann außerdem mit stetigem Ausbau des Spieleumfangs gerechnet werden.

Ist "Cities: Skylines" bereits zum Start besser als "SimCity"? Nun, trotz kleinerer Ärgernisse hat das nicht einmal zehnköpfige Team von Colossal Order eine bei im so entscheidenden Fundament bessere Städtebau-Simulation geschaffen, die in den wesentlichen Disziplinen mehr Spaß macht, mehr Spieltiefe bietet und den Spieler auch deutlich herausfordert. In anderen Belangen muss wiederum erst nachgelegt werden. Für nicht einmal 30 Euro erhält man jedenfalls ein Game, das auch dank der Offenheit gegenüber Community-Entwicklungen das Potenzial hat, den Genre-Thron dauerhaft zu besetzen. (Daniel Koller, derStandard.at, 11.03.2015)

"Cities: Skylines" ist für PC, Mac und Linux erschienen. Die unverbindliche Preisempfehlung liegt bei 27,99 Euro.