Wien - Bleiben ältere Menschen länger berufstätig, stellt das für junge Leute am Arbeitsmarkt kaum ein Problem dar, sagt der IHS-Experte Helmut Hofer. Hier gebe es keine wechselseitige Substitution, zudem würden nun ohnedies geburtenschwache Jahrgänge nachrücken, so der wissenschaftliche Leiter des Instituts, der am Montag auch die neue Konjunkturprognose präsentieren wird.

Die Behauptung, ältere Beschäftigte kämen die Unternehmen zu teuer, sei "zu einfach" und nur "ein Schlagwort". Natürlich müsse die Produktivität auch im fortgeschrittenen Alter "halbwegs im Einklang mit den Löhnen stehen", dafür hätten langjährige Mitarbeiter als besonderen Vorteil ihre Erfahrung vorzuweisen. Und die viel beschworene "Flexibilität" Junger könne sich auch gegen eine Firma richten, nämlich wenn die auch schneller abspringen.

Vom Senioritätsprinzip müsse man gar nicht abrupt abgehen. Das geschehe ohnedies schon dadurch, dass die alten Dienstverträge, die auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit bzw. die Berufsjahre abstellen, nach und nach auslaufen. "Die Kollektivverträge selbst sind schon deutlich flacher geworden".

"Wenn ich das Pensionsantrittsalter etwas erhöhe, hat das kaum Effekte auf die reale Arbeitslosigkeit", meinte der langjährige Arbeitsmarktexperte des Instituts für Höhere Studien. Dass die Menschen heute gesünder seien, spräche eigentlich für ein höheres Pensionsalter. Sobald jemand registriere, dass längere Durchrechnungszeiten die eigene Rente kürzen, wollten die Menschen ohnedies länger arbeiten. Falls man neue Altersteilzeit-Modell überlege, sollte kein "Blocken" möglich sein, denn das wären wieder nur Frühpensionierungs-Varianten.

Das im Gespräch stehende Bonus-Malus-System gegen Kündigungen älterer Arbeitnehmer könnte prinzipiell schon einen positiven Effekt zugunsten einer längeren Beschäftigung von Älteren haben - dafür müssten aber die Belohnungen und auch die Strafen entsprechend hoch sein. "100 Euro Strafe sind da zu wenig." Allerdings müsse auch auf Kleinbetriebe Rücksicht genommen werden, denn eine Firma mit fünf Leute könne keine Quote erfüllen.

Mit dem Argument "ältere Menschen nehmen den Jungen den Job weg, wenn sie zu lange arbeiten", kann Hofer nicht viel anfangen. Denn "was haben die Jungen von ihrem Job, wenn sie damit den Alten die frühere Pension zahlen müssen". Hier gehe es nicht um die Frage eines Entweder-Oder: "Wenn es zusätzlich Menschen am Arbeitsmarkt gibt, dann schaffen die selbst dadurch schon zusätzliche Arbeitsplätze." Im Übrigen sollte man für ältere Menschen spezielle Jobs schaffen "mit weniger Stress"; dafür müssten die davon Profitierenden "aber auch bereit sein, weniger Geld zu verdienen".

Angesichts der aktuellen hohen Arbeitslosenrate - im Winter bis zu 10 Prozent, saisonbereinigt etwa achteinhalb Prozent - sollten die Arbeitsmarkt-Mittel nicht gekürzt werden, auch wenn der öffentliche Sektor insgesamt den Sparstift ansetzen müsse. "Das würde keinen Sinn machen", sagt Hofer: "Uns sind investive Staatsausgaben lieber als konsumptive". Über die Zeit sei die aktive Arbeitsmarktpolitik ausgebaut worden, und das sei auch gut so. Umschulungen sollten möglichst früh erfolgen - darauf konzentriert, was effektiv nachgefragt werde.

Verlangen könnte man von heimischen Arbeitslosen aber sicher "mehr Mobilität". In Deutschland sei das der Fall gewesen, deshalb seien viele Ostdeutsche etwa auch in den österreichischen Tourismus oder die Gastronomie arbeiten gekommen. Ansonsten müsse man sich von der deutschen "Agenda 2010" bzw. den "Hartz IV"-Reformen keine Anleihen nehmen, eher sei es so, dass dort einiges mit Blick Österreich geschehen sei, so habe man etwa unsere Notstandshilfe übernommen.

Von Mindestlohn-Modellen hält der IHS-Experte nicht viel. Davon könnten zwar Frauen vielfach profitieren, doch sehe die Gesamtrechnung schlecht aus. Preis eines Mindestlohn könne nämlich sein, dass in Summe dann womöglich fünf Prozent oder mehr im betroffenen Personenkreis ganz den Job verlieren, weil sie zu teuer kämen. Lohnzuschüsse seien da schon besser, so Hofer. Im Übrigen gebe es Mindestlöhne über die Kollektivverträge de facto ohnedies schon in jeder Branche.

Vom Verdrängungsprozess am Arbeitsmarkt durch Migranten seien primär schon länger hier lebende Ausländer betroffen und weniger Österreicher - auch weil die Newcomer teils Jobs annehmen würden, die ein Inländer gar nicht machen würde. Im Übrigen seien Rumänen und Bulgaren, die seit Anfang 2014 von der Liberalisierung profitieren, gar nicht in viel größerer Zahl als erwartet gekommen.

Da die Gesellschaft weiter altere und weniger junge Arbeitskräfte als nötig im Inland selbst rekrutiert werden könnten, gebe es an Zuwanderung aus Arbeitsmarktsicht weiterhin einen Bedarf. Speziell Stellen, in denen höhere Qualifikation erforderlich sei, könnten vielfach nur durch Zuwanderer besetzt werden. (APA, 15.3.2015)