Guido van der Werves Video "Nummer acht, everything is going to be alright, Golf of Bothnia FI" (2007) läuft im Kunsthaus Graz.

Foto: Guido van der Werve

Stephanie Kiwitts Fotoserie "Wondelgemse Meersen" (2012) ist in der Camera Austria zu sehen.

Foto: Stephanie Kiwitt

Graz - "Hier ist es schön" steht auf der hellen Marke des dunklen Spazierstocks, mit dem Lucius Burckhardt, der Schweizer Begründer der Spaziergangswissenschaft, ab den 1980ern auf der Suche nach neuen Perspektiven auf (urbane) Räume reflexive Streifzüge unternahm. Die Situationisten hatten Städte schon in den 1960ern durch zielloses Umherschweifen ("dérive") erkundet.

Diese Praxis aus Beobachtung und Bewegung hat sich das Kunsthaus Graz zum Auftrag genommen, abseits des ästhetischen Blicks neue Perspektiven auf Landschaften zu finden. Politische, soziale, ökonomische und ökologische Motive bestimmen die Arbeiten in der Präsentation Landschaft in Bewegung.

In einem Teil der Schau geht es um Zerstörung. Landschaft bzw. Umwelt ist nicht einfach gegeben, sie ist keine Kulisse, sondern Raum, der gestaltet, benutzt und zerstört wird. Der niederländische Chemiker und Atmosphärenforscher Paul Crutzen führte im Jahr 2000 "Anthropozän" als Bezeichnung des neuen, vom massiven Eingreifen des Menschen in die Natur geprägten Erdzeitalters ein.

Das Auswuchern der Metropole Los Angeles in ihr Umland hält der US-Filmemacher James Benning in Los (2000) fest. Landstriche, die von der industriellen (Aus-)Nutzung gezeichnet sind, zeigt die Forschungsgemeinschaft Clui in Kameraflügen. In Deep Weather (2013), einer Videomontage von Ursula Biemann über Ölsandabbau und klimawandelbedingte Überschwemmungen, ist der Mensch Täter und Opfer.

Mensch und Macht

Motive der "Bewegung" sind in der Ausstellung zum einen die Veränderungen, die der Mensch in der Landschaft herbeiführt, und seine eigene Fortbewegung in der Landschaft, zum anderen Bewegtbilder (ein Großteil der gezeigten Arbeiten sind Videos). Die territorialen Machtansprüche, die mit dem Durchqueren von Landschaft verbunden sind, thematisiert Darren Almond mit In the Between (2006): eine filmische Reise entlang der neu gebauten Zugstrecke zwischen China und Tibet.

Um Machtansprüche geht es auch in Guido van der Werves Video, entstanden knapp 200 Jahre nach Caspar David Friedrichs Eismeer (1824): Der Künstler stapft über das dicke Eis der nördlichen Ostsee, im Schritttempo folgt ihm ein Eisbrecher. Mit der Maschine macht er sich die Natur gefügig. Eine Anmaßung.

Zärtliche Perspektiven auf Natur gibt es aber auch. Das Video Captive Horizon (2014) des 32-jährigen Schladmingers Lukas Marxt untersucht in irritierender Nahaufnahme den Boden Lanzarotes. Die meisten Arbeiten sind jüngsten Datums. So auch Eden's Edge (2014), drei Projektionen, die die Wiener Künstler Gerhard Treml und Leo Calice auf den Boden des Grazer Kunsthauses werfen. Riesengleich steht man über der von Aussteigern bewohnten öden, alle Klischees erfüllenden Landschaft des Wilden Westens. Im Begleittext zur Arbeit werden Fragen formuliert: Wie konstruiert man Landschaft in Bildern? Welchen narrativen Gehalt haben Landschaften für Bilder?

Die Camera Austria widmet sich der Landschaft in Disputed Landscape, einer sich bis in den Herbst ziehenden Ausstellungstrilogie. Es ist seit langem die erste Kooperation der beiden Institutionen. Anhand des Themas Landschaft werden hier auch mediale Fragen wie jene nach Dokumentation und Inszenierung behandelt. Christian Mayer tut dies anhand von Wort-Bild-Kombinationen (2011), Stephanie Kiwitt, indem sie Detailaufnahmen einer semiurbanen Brachfläche über Formen oder Farben zu Gruppen anordnet.

Das klassische Landschaftsbild hat in beiden Schauen ausgedient. Das macht sie zuweilen diffus, eröffnet aber spannende Perspektiven. (Michael Wurmitzer, DER STANDARD, 28.3.2015)