Bild nicht mehr verfügbar.

Die vier Worte "ein", "mein", "sein" und "dein" werden einer Person auf einem Bildschirm gezeigt und die Hirnstromaktivität dann beim Lesen mittels Elektroenzephalografie (EEG) gemessen.

Foto: Reuters/MICHAELA REHLE

Wien - Vier Worte lesen. - Das könnte zukünftig ausreichen, um bei Kindern und Erwachsenen Persönlichkeitsstörungen wie Schizophrenie und Autismus besser zu diagnostizieren. Zumindest dann, wenn gleichzeitig auch Hirnstromaktivitäten gemessen werden, meint der Neurobiologe Peter Walla von der Webster Vienna Private University.

Laut einer Studie zeigte sich, dass bereits beim Lesen einfacher Worte elektrische Hirnaktivitäten eine Unterscheidung zwischen zwei Ebenen des "Ich" erkennen lassen. Diese zwei Ebenen formen unsere Persönlichkeit, das "Ich". Forscher vermuten, dass bei Persönlichkeitsstörungen unter Umständen nur eine der Ebenen betroffen ist.

Die neue Methode könnte demnach konkrete Hinweise auf selektive Beeinträchtigungen nur einer dieser Ebenen geben und so die klinische Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen radikal vereinfachen, was wiederum eine frühere und bessere Behandlung ermöglichen würde.

"Me1" und "Me2"

Bereits in den Jahren 2007 und 2008 konnten Walla und Kollegen durch Messungen der Hirnstromaktivität mittels Elektroenzephalografie (EEG) und Magnetoenzephalographie (MEG) zeigen, "dass es tatsächlich zumindest zwei "Ich-Anteile" gibt. Diese nannten die Wissenschafter "Me1" und "Me2". In Studien anderer Forscher seien diese Erkenntnisse bestätigt worden.

"Me1" könnte man als ein "unbewusstes Wir" bezeichnen, so der Leiter des Departments für Psychologie an der Webster Vienna Private University. Seinen Sitz dürfte diese Verarbeitungsinstanz im hinteren Teil des Gehirns im Bereich des für Sprachverständnis zuständigen Areals haben. Wird das Gehirn mit einem Reiz, wie etwa den Fürwörtern "ein", "mein", "sein" und "dein" konfrontiert, reagieren die Nervenzellen (Neuronen) dort nach etwa 250 Millisekunden. Hier dürfte die generelle Bewertung dahingehend erfolgen, ob sich der Ausdruck auf irgendeine Person bezieht oder nicht. "Da löst 'mein' und 'sein' die gleiche Gehirnaktivität aus. Beide unterscheiden sich aber von 'ein'", so Walla.

"Me2" sitzt an einer anderen Stelle im Gehirn, weiter vorne auf der linken Seite, und auch die neuronale Reaktion taucht ungefähr 200 Millisekunden später auf. Hier sieht die Hirnaktivität auf "mein" und "sein" auch "klar unterschiedlich" aus, wie der Forscher erklärt. Es wird also analysiert, ob der Ausdruck auf einen selbst oder eine andere Person hinweist.

"Me1" könnte eine Form des primitiven Ichs sein, über die Babys und kleine Kinder vielleicht schon sehr früh verfügen. "Aber das Me2, das dann das eigentliche 'Ich' ist, muss sich erst entwickeln", vermutet Walla, der seine Überlegungen mit seiner deutschen Kollegin Cornelia Herbert im Fachjournal "Cogent Psychology" publiziert hat.

Einfache Messung

Mit einer relativ einfachen Messung der Reaktion auf genau diese Fürwörter ließe sich demnach eine erste Einschätzung treffen, ob bei einer Person diese beiden Ich-Instanzen tatsächlich entwickelt sind. Das sei wichtig, da mehrere psychische Störungsbilder wie Persönlichkeitsstörungen oder Schizophrenie "mit gestörten Ich-Formen einher gehen", wie es Walla formuliert. Probleme bereitet Betroffenen etwa das Zuordnen von Emotionen.

Würde man mit diesem Ansatz nun weitere Untersuchungen durchführen, könne man herausfinden, wo genau die Zuordnung Schwierigkeiten bereitet. Man hätte so eine bessere Möglichkeit zur Diagnose, was dann auch zu einem besseren Verständnis dieser Krankheitsbilder beitragen könnte. Auch andere Therapieansätze könnten daraus abgeleitet werden, ist der Forscher überzeugt.

"Insbesondere bei Kindern war es mit den bisherigen Methoden schwer, diese zu differenzieren", sagt Walla. Durch ihre Simplizität eigne sich die Methode auch für die Anwendung bei Kindern. (APA/red, derStandard.at, 31.3.2015)