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Irma Schwager im Jänner 2015 bei einem Holocaust-Gedenken in Wien.

APA/Hochmuth

Die Männer, die sie von der Sinnlosigkeit des Nazi-Kriegs überzeugen sollte, sprach sie am "marché aux puces" (Flohmarkt) an. Dort flanierten die deutschen Soldaten, die seit der Einnahme von Paris im Juni 1940 die Herren der Stadt waren, gern in ihrer Freizeit. Und mancher von ihnen hatte nichts dagegen, mit einer jungen, blonden Elsässerin namens "Susanne Berger" in Kontakt zu kommen.

Mit ihr ließ sich gut, weil auf Deutsch, über das Soldatenleben reden, oder über die Familie daheim. Und irgendwann auch über Politik, etwa über die absehbare Ausweglosigkeit von Adolf Hitlers Angriffskrieg und den mörderischen Hass der Nationalsozialisten auf Juden. Dass "Susanne Berger" in Wahrheit Irma Wieselberg – heute: Irma Schwager – hieß und selber Jüdin war, Tochter eine Wiener Greißlerfamilie, von ihrer Familie getrennt und Flüchtling, durften die Männer auf keinen Fall erfahren. Ebenso wenig, dass sie für die französische Widerstandsbewegung Résistance "travail allemand" (Deutschen-Arbeit) leistete, ab 1941 zwei Jahre lang.

"War es gelungen, ein gewisses Vertrauen aufzubauen - und zwar ohne Vertraulichkeiten -, konnte man mit vorsichtiger Nazi-Kritik anfangen. Später dann konnte man Flugblätter der Résistance zeigen. Sie aushändigen war extrem risikoreich", schildert die heute 94-jährige Irma Schwager. Denn jedes neuerliche "rendezvous" sei mit der Gefahr verbunden gewesen, dass die Geheime Staatspolizei (Gestapo) mitkommen könnte. Ein Flugblatt hätte die Beweislage gegen "Susanne Berger" dann noch erdrückender gemacht.

Beim "travail allemand" bildeten je acht Frauen eine Gruppe. Vier Mitglieder der ihren, so Schwager, wurden verhaftet und ins Konzentrationslager gebracht, eine hingerichtet. Sie selber überlebte, ohne aufgedeckt zu werden – während ihre Eltern und zwei von drei Brüdern aus Wien deportiert und ermordet wurden.

Viele der deutschen und österreichischen Frauen im französischen Widerstand waren Kommunistinnen, so wie Irma Wieselberg auch. 1938 im französischen Internierungslager Gurs habe sie "mitansehen können, wie rasch die nicht organisierten Häftlinge sich gehen ließen", sagt sie. Anders jene, die der KP angehörten: Sie hätten einander solidarisch geholfen. Also trat sie der Partei bei.

Und in ihr blieb sie auch nach dem Krieg, als die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) die Zweite Republik mitgründete. Sie blieb Parteimitglied, als die KPÖ in der Folge politisch immer unbedeutender wurde, als die sowjetische Militärmacht 1968 den Prager Frühling niederrang, als die realsozialistischen Regimes Europas nach 1989 zusammenbrachen. Als jahrzehntelange Vorsitzende des Bundes Demokratischer Frauen (BDF) standen für sie die "Friedenspolitik" der KPÖ, aber auch der Kampf gegen das Abtreibungsverbot und für eine Familienrechtsreform im Mittelpunkt.

"Ich kann meine Weltanschauung nicht aufgeben", sagt Schwager. Auf alle Fälle aber dürfe nicht vergessen werden, was es gekostet habe, den Nationalsozialismus zu besiegen, "und die Rolle der Kommunisten im österreichischen Widerstand". (Irene Brickner, DER STANDARD, 7.4.2015)