Sam Jolig
Wut tut gut
Ein starkes Gefühl verstehen und konstruktiv nutzen
Goldmann-Verlag 2015
224 Seiten, 9,90 Euro

Foto: Verlag Goldmann

Sam Jolig ist Körpertherapeutin in Deutschland. Passend zu ihrem Beruf setzt sie ganz auf den Trend der basalen Gefühle. Ihre Kernbotschaft: "Wut tut gut, weil sie Wachstum und Veränderung initiieren will." Zuerst müssen wir uns aber bewusst sein, dass unsere Wut ausschließlich mit uns selbst und im Kern nichts mit den anderen zu tun hat. Demnach ist die Aussage "Du machst mich wütend" grundsätzlich falsch, folgert sie. Andere können zwar Wut in uns auslösen, aber "Wut machen" - im Sinne von kreieren - können wir sie nur selbst.

Bei ihren Ausführungen unterstreicht die Autorin, die Wichtigkeit, Begriffe wie "Wut", Aggression" und "Impulsreaktion" klar von einander abzugrenzen. Absurd, dass sie diese Differenzierung selbst nicht so genau nimmt. Schlecht für die Leser, die damit nur verwirrt werden.

Banales "Wut-Management"

Denn auch ihre Definition von Aggression gerät in diesem Kontext zur Plattitüde: Demnach ist jedes Verhalten aggressiv, das das Überleben sichert. In dieser Diktion fällt schon das genussvolle Zubereiten des Abendessens unter die Kategorie "aggressive Handlung". Ganz zu schweigen vom herzhaften Biss in eine Schnitzelsemmel. Statt hier Klarheit zu schaffen, begnügt sich Jolig damit, die Ursache für fehlgeleitetes "Wut-Management" in den Bereich der frühkindlichen Prägung zu verlagern.

Was folgt, sind Abhandlungen über "Selbst-Unterdrücker", "Wut-Freunde" und "Mischtypen", denen jeweils eine maßgeschneiderte "Aggressionstherapie" empfohlen wird. "Schrei dich frei", "Schlag auf Kissen oder Kisten", "Atme tief ein und aus" lauten die Tipps, mit denen die Wut in geordnete Bahnen gelenkt werden soll.

Ärgerlich auch die vor Klischees strotzenden Fallbeispiele, die von der Autorin rund um Konflikte in der Partnerschaft und im Beruf gesponnen werden. Männer sind in Joligs Welt ausschließlich Macher: Im gehobenen Management oder überhaupt an der Spitze der Hackordnung. Frauen dürfen sich allenfalls mit der Rolle als Hausmütterchen oder Sekretärin zufrieden geben. Ein derartiges Sammelsurium an Stereotypen kann richtig Wut auslösen. (Günther Brandstetter, derStandard.at, 10.4.2015)