Es ist einsam geworden um Brasiliens linksgerichtete Präsidentin Dilma Rousseff. Wie schon vor wenigen Wochen gingen auch jetzt wieder landesweit knapp eine Million Menschen gegen die Regierung auf die Straße. Korruption und steigende Lebenshaltungskosten befördern den Unmut in Lateinamerikas größter Volkswirtschaft. Die Angriffe auf Rousseff sind unüberhörbar, doch ihre Unterstützer bleiben stumm - ebenso wie die Staatschefin. Nur via Facebook lässt sie mitteilen, dass der "Kampf gegen Korruption eines der beständigen Ziele der Regierung" bleibe. Kein Wort zu den Protesten, kein Wort zur Verteidigung ihrer Politik.

Rousseff, so scheint es, will ihre bisher größte politische Krise aussitzen. Die sozialdemokratische Staatschefin negiert den politischen Reformbedarf. Sie spricht von "kleineren Korrekturen" ihrer Politik, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Doch das ist die falsche Strategie, das kann nicht funktionieren.

Auch innerhalb der Regierung wenden sich Vertraute ab, ehemalige Bündnispartner wie die Gewerkschaften und soziale Bewegungen gehen auf Konfrontationskurs. Der immer noch populäre Ex-Präsident Lula da Silva drängt Rousseff in die Offensive. Doch das Band zu ihrem Förderer und möglichen nächsten Präsidentschaftskandidaten ist zerschnitten. Rousseff, diffus und konzeptlos, befördert so ihren eigenen Abgang. (Susann Kreutzmann, DER STANDARD, 14.4.2015)