Washington - Die USA bezeichnen die Massaker an den Armeniern durch das Osmanische Reich im Ersten Weltkrieg auch weiter nicht als Völkermord. Das Außenministerium in Washington erklärte am Dienstag aber, dass die "volle, ehrliche und genaue Anerkennung" der geschichtlichen Fakten im Interesse aller Länder und damit auch der Türkei sei.

Die Aufarbeitung von "schmerzhaften Elementen" der eigenen Vergangenheit könne den Weg in eine "tolerantere Zukunft" weisen, sagte die US-Außenamtssprecherin Marie Harf.

Zwanzig Länder sprechen von "Genozid"

Armenien vertritt die Position, dass der Tod von bis zu 1,5 Millionen Landsleuten vor hundert Jahren Ergebnis einer gezielten Vernichtungskampagne des Osmanischen Reiches gewesen sei. Diese Auffassung teilen neben zahlreichen internationalen Historikern rund zwanzig weitere Länder, darunter Frankreich, Italien und Russland.

Die Türkei, der Nachfolgestaat des Osmanischen Reiches, lehnt hingegen den Begriff "Völkermord" vehement ab. Sie beharrt stattdessen darauf, dass damals in den Wirren des Krieges auf beiden Seiten hunderttausende Menschen ums Leben gekommen seien.

Streit mit Vatikan

Papst Franziskus hatte am Sonntag den Zorn der Türkei auf sich gezogen, als er als erstes Oberhaupt der katholischen Kirche im Zusammenhang mit dem Massaker an den Armeniern öffentlich von Völkermord sprach. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wies die Äußerungen des Papstes als "Unsinn" zurück.

Die Türkei will ihre diplomatischen Beziehungen zum Vatikan dennoch aufrechterhalten. "Wir wollen unsere Botschaft nicht schließen", sagte der türkische Botschafter beim Heiligen Stuhl, Aydin Adnan Sezgin, der italienischen Tageszeitung "Il Messaggero" laut Kathpress. Es sei klar, dass die Aussage des Papstes vom Sonntag Auswirkungen auf das türkisch-vatikanische Verhältnis habe, so der Diplomat. Es gebe jedoch auch weiterhin Raum, um "der Diplomatie neuen Atem zu geben".

Nach österreichischer Rechtsauffassung sind die Gräueltaten an den Armeniern zu einem Zeitpunkt erfolgt, als der Verbrechenstatbestand "Völkermord" noch nicht vorhanden gewesen sei: "Wo kein Gesetz, kein Verbrechen" ("Nullum crimen sine lege"). Die "Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes" wurde 1948 von der UN-Generalversammlung beschlossen.

Fischer reist nicht zu Gedenken

Bundespräsident Heinz Fischer reist trotz Einladung nicht zum zentralen Gedenken an den Völkermord an den Armeniern vor 100 Jahren. Das teilte die Präsidentschaftskanzlei am Dienstag auf Anfrage der APA mit. Fischer nehme "aus Termingründen" nicht teil, hieß es zur Begründung.

Demnach wird der für Armenien zuständige, mangels Botschaft an Ort und Stelle aber in Wien ansässige Botschafter Alois Kraut am 24. April in der armenischen Hauptstadt Eriwan vertreten sein. Auch der SPÖ-Nationalratsabgeordnete Hannes Weninger wird Österreich repräsentieren. Laut der armenischen Botschaft in Wien haben sich neben Wladimir Putin aus Russland auch mehrere Staatspräsidenten aus EU-Ländern angekündigt, darunter Francois Hollande aus Frankreich sowie die Staatsoberhäupter Griechenlands, Zyperns sowie Serbiens.

Abstimmung im Europaparlament

Das Europaparlament stimmt am Mittwoch über eine Resolution ab, in der die Türkei aufgefordert wird, die Verfolgung von Armeniern im Osmanischen Reich als "Völkermord" anzuerkennen. Dies solle den Weg für eine "aufrichtige Aussöhnung zwischen dem türkischen und armenischen Volk" bereiten, hieß es in einem am Dienstag abgestimmten Resolutionsentwurf. Das Europaparlament bezeichnet die Ereignisse schon seit 1987 offiziell als "Völkermord". (APA, 15.4.2015)