War der blaue Planet einst vollständig weiß?

Foto: NASA/Michael Studinger

Göttingen - Die Erde könnte im Laufe ihrer Geschichte mehrmals vollständig von einer Eisschicht bedeckt gewesen sein, so die unter Geologen nicht unumstrittene "Schneeball-Hypothese". Der Name ergibt sich daraus, dass der Planet aus der Distanz wohl wie ein riesiger Schneeball ausgesehen hätte.

Eine neue Studie der Universität Göttingen stützt nun diese Hypothese und bestätigt episodisches extrem kaltes Klima vor Millionen und Milliarden Jahren. Die Forscher rekonstruierten die Zusammensetzung von Sauerstoffisotopen tropischer und subtropischer Gletscher und kommen zu dem Ergebnis, Gletscher seien wiederholt bis an den Äquator vorgedrungen.

Minus 40 Grad Celsius

"Die Isotope geben Aufschluss über die klimatischen Bedingungen einer vollkommen vereisten Erde", sagt Erstautor Daniel Herwart. Die untersuchten Gesteine aus dem Nordwesten Russlands und aus China hätten sich vor 2,4 Milliarden und 700 Millionen Jahren nahe am Äquator befunden und dort mit Schmelzwasser von (sub)tropischen Gletschern interagiert. Die isotopische Klimainformation sei vom Wasser auf die Gesteine übertragen worden und konnte so hunderte Millionen Jahre überdauern, so der Forscher.

Die Sauerstoffisotopenzusammensetzung der 2,4 Milliarden Jahre alten (sub)tropischen Gletscher deutet auf Klimabedingungen hin, wie wir sie heute nur am kältesten Orten der Erde finden: in der Antarktis mit mittleren Jahrestemperaturen von minus 40 Grad Celsius. "Es scheint verrückt, sich Regionen wie Florida oder Ägypten bei minus 40 Grad Celsius mittlerer Jahrestemperatur vorzustellen, aber die Daten sprechen für solch extreme Klimabedingungen in niederen Breiten", so Herwartz.

Die 700 Millionen Jahre alten Gesteine aus China deuten wiederum auf Klimabedingungen hin wie sie heute im Süden Grönlands herrschen - also auf wesentlich höhere Temperaturen als die 2,4 Milliarden Jahre alten Proben aus Russland. Die Rekonstruktion des Gletscherwassers gelang den Wissenschaftlern dank einer hochpräzisen Analyse des seltenen 17O-Isotops.

Abkühlungseffekt

Die Schneeball-Erde-Hypothese besagt, dass die gesamte Erde einst gefroren war und die Ozeane unter einer hunderte Meter dicken Schicht aus Meereis lagen. Niedrige CO2-Konzentrationen würden zu wachsenden Eisschilden führen, die das Sonnenlicht reflektieren und die Erde weiter abkühlen. Würden die Gletscher eine kritische Grenze erreichen, sei die Reflektion der Sonneneinstrahlung so stark, dass die Erde schließlich komplett einfrieren würde.

Ein starker Anstieg vom Treibhausgas CO2 durch fortwährende vulkanische Aktivität sei dann notwendig, um die Erde aus diesem gefrorenen Zustand zu befreien. "Eine Schneeball-Erde ist eine kritische Zeit. Leben ist auf einem gefrorenen Planeten nur in kleinen Rückzugsgebieten möglich, dafür scheint es nach dem Auftauen geradezu zu explodieren", sagt Andreas Pack vom Geowissenschaftlichen Zentrum der Universität Göttingen, der an der Studie beteiligt war. (red, derStandard.at, 20.4.2015)