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Demonstration in Berlin vor der Botschaft Aserbaidschans für die Freiheit von politischen Gefangenen.

Foto: APA/EPA/Kornmeier

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Der Austragungsort der Europaspiele in Baku.

Foto: AP/Kienzle

Im Juni trägt Aserbaidschan zum ersten Mal die sogenannten Europaspiele aus, die nach dem Vorbild der Olympischen Spiele funktionieren sollen und an denen auch 140 bis 150 Athleten aus Österreich teilnehmen werden. Die Entscheidung des Europäischen Olympischen Komitees, die Veranstaltung an den einzigen Bewerber, ein autoritäres Regime, zu vergeben, ist politisch höchst umstritten. Aserbaidschan hatte sich in der Vergangenheit mehrere Male um die Olympischen Spiele beworben, jedoch nie den Zuschlag erhalten.

Der Präsident Aserbaidschans erhofft sich das beste von den Spielen.

Repression nimmt zu

Damit die Aufmerksamkeit während der Spiele nicht auf die menschenrechtliche und zivilgesellschaftliche Situation in Aserbaidschan gelenkt wird, hat die Regierung vorsorglich unter fadenscheinigen Vorwänden Journalisten und NGO-Mitarbeiter verhaften lassen. Viele von ihnen warten seit Monaten auf ihren Prozess, ihre Anwälte werden ebenfalls schikaniert. Doch rund 50 Tage vor Beginn des europäischen Großereignisses werden nun Fakten geschaffen: Zuletzt wurde am Mittwoch Intigam Aliyev, einer der bekanntesten Menschenrechtsanwälte Aserbaidschans, zu sieben Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Wegen Steuerhinterziehung, illegaler Geschäfte und Veruntreuung.

Giorgia Gogia von Human Rights Watch kritisiert das Urteil: "Seine Verurteilung bedeutet, dass sämtliche Opfer von Menschenrechtsverletzungen für die kommenden Jahre ihren schärfsten Fürsprecher verloren haben." Aliyev war einer der ersten Anwälte, die Fälle auch vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte brachten. Vergangene Woche war bereits der Anwalt und Menschenrechtsaktivist Rasul Jafarov, der zur Zeit des Song Contest 2012 in Baku die Kampagne "Sing for Democracy" ins Leben rief, zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Eine ähnliche Aktion, die Aufmerksamkeit auf die menschenrechtliche Situation in Aserbaidschan hätte lenken sollen, hatte er für die Europäischen Spiele geplant.

Boykott gefordert

Das Observatory for the Protection of Human Rights Defenders hat im Jänner dieses Jahres deshalb die Situation vor Ort evaluiert und einen ernüchternden Bericht erstellt. Bei den offiziellen Stellen Aserbaidschans stießen die Interviewanfragen auf wenig Gegenliebe.

Die Menschenrechtslage müsse für die aserbaidschanische Regierung auch Konsequenzen haben, Taten seien gefordert, resümieren die Autoren. Konkret, sagt Hugo Gabbero gegenüber dem STANDARD, wünsche man sich, "dass die europäischen Staaten ihre Teilnahme an den Spielen an die Freilassung der politischen Gefangenen knüpfen". Derzeit sind das rund 100.

NGOs gelähmt

Aserbaidschan hat die Gesetzgebung für NGOs in den vergangenen Jahren drastisch verschärft. Darunter fällt, dass alle Büros internationaler Organisationen mit der Regierung einen bilateralen Vertrag abschließen müssen, um sich im Land niederlassen zu dürfen. Seit 2011 sind deshalb eine Vielzahl an NGOs abgewandert oder haben zugesperrt. Zusätzlich müssen alle finanzielle Förderungen dem Justizministerium gemeldet werden, noch bevor sie überhaupt erhalten werden. Im November 2014 hat Präsident Ilham Aliyev weitere Zusätze über Arbeitsverträge und Förderungen erlassen, die es den NGOs noch schwieriger machen, unabhängig zu arbeiten. "Die NGOs im Land sind paralysiert", sagt Gabbero.

Razzia im Journalistenbüro

Ähnlich restriktiv ist die Arbeitsumgebung für Journalisten. Im Juli 2013 bot Präsident Aliyev in einer vorgeblich großzügigen Geste 155 Gratiswohnungen für Journalisten an, um seinen Einfluss auf die Presse geltend machen zu können. Auf die wenigen unabhängigen Journalisten wird unterdessen Druck ausgeübt. Im Dezember 2014 gab es eine Razzia bei Radio Free Europe-Radio Liberty (RFE/RL), das daraufhin sein Büro in Baku schloss. Zehn Journalisten sitzen derzeit im Gefängnis, zusätzlich gibt es einige wie die Investigativjournalistin Khadija Ismayilova, die nach wie vor in Untersuchungshaft auf den Prozess warten. Im Ranking des Committee to Protect Journalists (CPJ), das diese Woche veröffentlicht wurde, liegt Aserbaidschan auf dem fünften Platz hinter Eritrea, Nordkorea, Saudi-Arabien und Äthiopien.

HumanRightsWatch

Dass die politische Führung des Landes in den kommenden 50 Tagen vor den Spielen noch Kulanz zeigt und politische Gefangene freilässt, bezweifelt Hugo Gabbero: "Die Gerichtsurteile der vergangenen Tage sprechen eine andere Sprache."

Dass die Repression im Land in den vergangenen Jahren weiter angestiegen ist, hat auch mit dem schlechten Verhältnis zwischen dem Westen und Russland zu tun, sagt Gabbero: "Aserbaidschan sitzt jetzt auf dem längeren Ast. Die Führung weiß, dass Europa von ihrem Gas und Öl jetzt noch stärker abhängig ist, und kann deshalb auch provozieren."

Akkordierte Urteilssprechung

So sei es wohl kein Zufall gewesen, dass das harte Urteil gegen den Menschenrechtsanwalt Aliyev just während der zeitgleich angesetzten Sitzung des Europarats, dessen Menschenrechtsbeauftragter die Freilassung der politischen Häftlingen gefordert hatte, gesprochen wurde.

Im Schlussplädoyer gab sich Aliyev noch kämpferisch: "Durch die Haft kann einem die Freiheit entzogen werden, aber nicht der Wunsch nach Freiheit. Auch in der Haft werden wir den Kampf um die Freiheit fortführen." (Teresa Eder, derStandard.at, 24.4.2015)