Wien - Bschhhhhhh. Sssmmmm. Es ist der Lärm einer Kaffeemaschine, der an diesem Tag die Geräuschkulisse in der Lange Gasse im achten Bezirk in Wien prägt. Seit etwas mehr als einem Jahr wird die Straße im Bereich zwischen Josefstädter Straße und Josefsgasse samstags für den Verkehr gesperrt. Es fahren und parken keine Autos, sondern es werden Waren aller Art angeboten. Nicht nur Kaffee kann man am "Bio- und Spezialitätenmarkt" erwerben. Es gibt Fisch, Käse, Gemüse oder Mehlspeisen. "Vieles, das man in den normalen Geschäften nicht bekommt", erklärt Initiator Erik Nussbaum. Schaut man genauer hin, finden sich Raritäten wie Zwetgschen-Chutney, Hanfkäse oder Trüffelhonig. Zum ersten Mal hat am vergangenen Samstag auch ein Schallplattenverkäufer einen Stand bezogen.

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"Der Markt ist entstanden, weil wir hier im Bezirk versuchen, den Durchzugsverkehr rauszubekommen", erklärt Nussbaum. Die Initiative sei auf die Agenda Josefstadt und den Verein Asphaltpiraten zurückzuführen. "Dieser Markt ist ein kleiner Schritt, damit wir hier wenigstens am Samstag ein bisschen Ruhe haben."

Foto: Rosa Winkler-Hermaden

Die Lange Gasse im achten Bezirk in Wien ist nicht nur für ihre Biedermeierhäuser und die verborgenen Innenhöfe bekannt, viele Autofahrer nutzen sie als Schleichweg. Sie führt parallel zur sogenannten 2er-Linie durch die Josefstadt. Zwar gilt im gesamten Bezirk bereits Tempo 30, viele Anrainer stört der Verkehr durch die enge Gasse trotzdem. Als vor dreieinhalb Jahren die Bürger informiert wurden, dass die Straße saniert werden müsse, sei die Idee des Marktes entstanden, so Nussbaum.

Foto: Michael Luger

Nach einer Testphase gab der Bezirk die befristete Bewilligung für den samstäglichen Markt her. Seither profitieren nicht nur die Anrainer, sondern auch die Geschäftstreibenden der Straße. Extra angesiedelt hat sich beispielsweise eine Filiale des Schweizer Käseherstellers "Jumi". Nach Niederlassungen in Bern und London gibt es in Wien nun die dritte Geschäftsstelle. Das Publikum in der Josefstadt sei breit gestreut, sagt Geschäftsführerin Natalie Grella. "Wir haben Studenten, Schüler, bis hin zu älteren Damen, die sich ganz besonders für unseren Hanfkäse interessieren." Auch Touristen und Nachbarn zählen zur Kundschaft. Grella würde es schön finden, "wenn es hier noch öfter verkehrsberuhigter wäre. Das lädt die Leute zum Verweilen ein."

Foto: Michael Luger

Grünes Licht für eine dauerhafte Verkehrsberuhigung in der Lange Gasse will Bezirksvorsteherin Veronika Mickel-Göttfert (ÖVP) aber noch nicht geben. Zuerst möchte sie eine Bürgerbefragung durchführen, die derzeit aber in der Schublade liegt, da die Zustimmung der anderen Fraktionen dafür fehlt, wie sie im Gespräch mit dem STANDARD erläutert. Mickel ist bewusst, dass der Markt vor allem beim jungen Publikum gut ankommt. Dass sich die Altersstruktur im Bezirk ändert, bestätigt auch Stammkundin Helga Kahofer, die samstags mit ihren Kindern am Markt einkauft: "Als ich früher mit der Straßenbahn durch den Bezirk gefahren bin, waren die Frauen mit Pelzmantel und Perlenkette zu sehen." Nun würden Familien und Kinder dominieren. (Rosa Winkler-Hermaden, DER STANDARD, 30.4.2015)