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Arbeit ist derzeit nicht so leicht zu bekommen. Um mit den vorhandenen Budgetmitteln auszukommen, wurde an vielen Schrauben gedreht.

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Wien - Es ist derzeit vielfach ein undankbarer Job: Menschen im Auftrag des Arbeitsmarktservice (AMS) zu motivieren, zu schulen, zu orientieren. Der Druck ist von allen Seiten groß. Einerseits wurde zuletzt die Kritik an sogenannten Sinnloskursen immer lauter, andererseits liegen oft auch die Nerven angesichts der angespannten Lage am Arbeitsmarkt bei den Arbeitslosen selbst blank. Frustration gehört vor allem bei vielen Trainern zum Grundgefühl.

"Ständige Angst vor Kündigungen, schwierige räumliche Verhältnisse, das Fehlen von Supervision, schlechte Auswahl der Kursteilnehmer": Die Mängelliste, die Ingrid Altmüller in ihrer siebenjährigen Tätigkeit als Trainerin angesammelt hat, ist lang. Mittlerweile hat sich die 43-Jährige aus der Branche verabschiedet. Sie und andere fühlen sich vielfach mit ihren Sorgen alleingelassen. Von der Politik, aber auch von ihren Chefs.

Halb so viele Deutschkurse

Letztere sind derzeit vor allem damit beschäftigt, ihre Institute an die neue Situation anzupassen - der STANDARD berichtete. Das AMS hat ja nach leichten Mittelkürzungen und Kritik am Schulungsprogramm seine Förderpolitik umgestellt. Das Arbeitsmarkt-Budget beläuft sich heuer auf 1,14 Mrd. Euro (nach 1,12 Mrd. 2014), mit denen fast 50.000 erwerbslose Menschen mehr zu versorgen sind. Statt auf Jobcoachings und -trainings setzt man auf rasche Job-Wiedereingliederung durch Lohnsubventionen und den "zweiten Arbeitsmarkt". Eine Strategie, die laut OECD-Experte Christopher Prinz auch andere Länder wie Deutschland und Schweden verfolgen. Ende März saßen hierzulande fast ein Fünftel weniger in Schulungen als im Jahr davor. In Wien wurde am radikalsten umgestellt. Das Budget für Kurse, die Arbeitslose selbst aussuchen, wurde auf 20 Millionen Euro halbiert. Allein an Deutschkursen ist laut Martin Röhsner, Chef des privaten Anbieters "Die Berater", von 18.000 die Hälfte weggefallen. Auch Englisch- und EDV-Kurse wurden kräftig gekürzt.

Manche Anbieter erwischte der Kurswechsel am falschen Fuß. "Wir wurden quasi über Nacht damit konfrontiert, dass langjährig verlässlich laufende Kurse nicht zustande kamen", sagt etwa Elfriede Hilpert vom kleinen Wiener Anbieter EWI. Auch die verteufelten "Sinnloskurse" hält sie nicht für völlig verkehrt: "Mit Coaching und Co konnten wir viel Motivation ins oft triste Alltagsleben unserer Kundschaft bringen." Bei Hilpert müssen vier Mitarbeiter gehen. "Darunter leider auch ältere Arbeitskräfte, also 50 plus".

Schrumpfen statt Wachsen

Österreichweit liefern rund 150 Schulungspartner dem Arbeitsmarktservice zu. Rund 40 Prozent der AMS-Gelder landeten bei den sozialpartnerschaftlich organisierten Institutionen BFI und Wifi, beim Arbeiterkammer-nahen Bildungs- und Rehabilitationszentrum (BBRZ), dem SPÖ-nahen gemeinnützigen Verein Jugend am Werk und bei Ibisacam. Profitiert haben aber auch die privaten Anbieter, zu deren größeren neben Ibisacam Mentor oder BIT zählen. Lange konnten sie verlässlich auf die AMS-Millionen bauen und verzeichneten zum Teil zweistellige Umsatzzuwächse. Jetzt schmerzt der arbeitsmarktpolitische Sparkurs besonders. Statt Wachstum ist Schrumpfen angesagt. Betroffen sind praktisch alle Erwachsenenbildungsinstitute.

Die meisten setzen wie das BFI Wien, das heuer laut Lackinger mit bis zu 20 Prozent weniger Umsatz rechnet, neben Jobabbau auf ein Bündel an Maßnahmen: Reduktion der Sachkosten, Altersteilzeit, Bildungskarenz und Sabbaticals für die Mitarbeiter. Daneben versucht man neue Geschäftsfelder zu lukrieren. "Wir versuchen jetzt, noch mehr auf dem freien Markt anzubieten", sagt etwa EWI-Chefin Hilpert.

Dass es bei der von BFI-Chef Franz-Josef Lackinger geschätzten Zahl von 1000 Trainern von insgesamt 7000 bleibt, die ihren Job österreichweit verlieren, bezweifelt ein Betroffener, der seit 17 Jahren - zuletzt als Betriebsrat - in der Branche tätig ist. "Nach dem kräftigen Schub im Herbst wird die Zahl noch um ein Drittel zurückgehen." Er selbst sei auch am Sprung. Auch weil "das AMS bis 2014 als Ziele der Fördermaßnahmen neben der Vermittlung und dem Abschluss von Ausbildungen die sozialpädagogische Unterstützung hatte - Letzteres wurde ersatzlos gestrichen".

Die Zahl der bedrohten Jobs schätzt Berater-Chef Röhsner ähnlich ein. Die Umsätze des Unternehmens kommen zu 85 Prozent via AMS, die AMS-Umstellung bedeute ein Drittel Umsatzverlust. 1500 bis 2000 Trainerplätze könnten wegfallen, glaubt er.

Klima der Angst

Was die Deutschkurse betrifft, so wird das AMS 2000 bis 3000 von den 8000 in Wien gestrichenen nach heftiger Kritik wieder anbieten. "Wenn alles gutgeht", sagt AMS-Wien-Sprecher Sebastian Paulick. Die zweieinhalb bis dreieinhalb Millionen Euro dafür will die Regierung bereitstellen. Wifo-Experte Helmut Mahringer hält das für sinnvoll: "Sprachkenntnisse sind ganz wichtig für die Vermittlungsfähigkeit und im Rahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik positiv zu sehen."

Bei den Trainern selbst sorgt das für keine Entspannung. Von einem Klima der Angst ist bei manchen die Rede. Von älteren Kollegen, die hinausgeekelt oder gekündigt werden. Von nackten Zahlen, auf Kundenseite ebenso wie auf Mitarbeiterseite. Eine Viertelstunde habe er noch, um zu beraten, erzählt einer. "Früher war es viermal so viel."

Jene, die in der Branche noch arbeiten, wollen ihren Namen nicht in der Zeitung lesen. Ingrid Altmüller nimmt sich kein Blatt vor den Mund: "Der ständige Prüfungs- und Quotendruck ist sehr belastend." Ihr Lohn für "diese schwierige Arbeit bei einer 30-Stunden-Verpflichtung: 1280 Euro, Vorbereitung und Korrektur nicht inklusive. Das fällt dann unter Freizeit." (Regina Bruckner, DER STANDARD, 30.4.2015)