Der Raum als Skulptur: Heimo Zobernig hat den Österreich-Pavillon von Hierarchien befreit. Seine Intervention verlebendigt den Blick hinaus auf den Garten.

Foto: Anna Blau

Im österreichischen Pavillon war man bereits Wochen vorher fertig. Und trotzdem gab es kurz vor der Eröffnung noch einen Schockmoment. Zwar hatte man das wilde Gestrüpp, das seit eh und je hinter dem Josef-Hoffmann-Bau gedieh, schon viel früher gerodet, aber nun tauchte dort plötzlich ein weißer Container auf. Nicht nur ungünstig, sondern geradezu zerstörerisch für das ruhige und minimalistische Bild, das Heimo Zobernig (geb. 1958 im Mauthen/Kärnten) hier aus Natur und Architektur komponiert hatte. Aber man hatte rasch ein Einsehen und entfernte den Kubus.

Manches Mal sei der kleine Gartenhof des österreichischen Pavillons "total armselig" gewesen, so Zobernig, der schon als Teenager von Kärnten aus oft nach Venedig fuhr. Das Erleben eines solchen Besuches mit all seinen (Licht-)Stimmungen wollte er zum Ausgangspunkt machen, sagt er dem Standard. "Schließlich sind die Giardini auch ein wunderschöner Garten." Auch der vom venezianischen Architekten Carlo Scarpa gestaltete Hof des Padiglione Centrale sei ihm früh aufgefallen: ein Ort der Ruhe, an dem jedes Detail interessant erscheine. Man müsse gar nicht wissen, dass er von Scarpa ist, um seine Schönheit zu erkennen. "Es ist gute Architektur. Für alle Sinne."

Der Effekt des Simplen

Zobernig ist mit seinem Beitrag für die am Samstag startende Biennale Venedig genau das gelungen. Zwar ist er kein Architekt, aber der Bildhauer - und Maler und Videokünstler und Performer - hat einen schönen, harmonischen Raum geschaffen. Oder auch: eine gute Skulptur, einen im Beschreiten erlebbaren skulpturalen Körper. Der Architektur zu einer gesteigerten Wahrnehmung zu verhelfen, ist eines der Anliegen des Künstlers, der in allen Medien zuhause und für seine reduzierte Ästhetik bekannt ist.

Seine Intervention in Venedig entzieht sich dem Höher, Schneller, Weiter im Wettbewerb der Länder, in der sich die Leute, ganz wie der Künstler es angekündigt hat, eingeladen fühlen. Sie verlebendigt den Blick in den Garten. Das klingt nach enormem Aufwand; gemessen an den vielen verspachtelten Schraublöchern auf den von ihm verwendeten einfachen Holzplatten war es das gewiss auch. Manchmal ist es jedoch das Simple, das Effekte erzielt.

Heimo Zobernig hat in den White Cube zwei schwarze Ebenen eingezogen: Zum einen hat er die Decke abgehängt, eine rund 288 Quadratmeter große Platte scheint nun über dem Raum zu schweben. Zum anderen hat er die Steinplatten am Boden mit einer ebensolchen, die Decke wiederholenden Platte verschalt, alle Niveauunterschiede des Baus nivelliert und die Stufen weit in den Garten hineingezogen - wie eine Bühne. Und auch dort postieren sich etwa Ahorn, Judasbaum, Oleander, Kräuselmyrten und obendrein der alte, kranke Baum, dessen Äste gekappt wurden, wie auf einer Bühne: eine luftige Transformation der Versammlung der Bäume, des Beitrags von Auböck + Kárász für die letzte Architektur-Biennale.

Aber obwohl Zobernig 1992 für die Documenta IX eine Bühne gebaut hat, die er 1993 im Salzburger Kunstverein in Form eines nicht tragfähigen Podestes wiederholte, ist ihm diese Metapher gar nicht so wichtig. Wesentlich war vielmehr seine Reaktion, seine Diskussion mit Josef Hoffmann und dessen 1934 erbautem und zwischen historistischem und modernem Stil oszillierendem Bau. Er folgt der Symmetrie, die in der Moderne als autoritatives Herrschaftssymbol verstanden - und daher abgelehnt wurde.

Zobernig blendet also die historistischen Rundbögen aus, stört etwa das Symmetrische mit einer subtil spielerischen Geste: Die von ihm aufgestellten Bänke stehen in den Raumachsen nicht ident. Er demokratisiert besonders das Verhältnis von Eingang und Nebenräumen. "Mein Vorhaben war es, die Hierarchien aufzulösen, sodass die Nebenräume gar nicht mehr als solche existieren: dass alles zu einem Ganzen wird. Die Frage ist, ob die Zeit, die geprägt war von den Faschismen und Nationalismen in so vielen Ländern, sich in einer abstrakten Formensprache wie der Architektur abbildet." Die Frage, ist sich Zobernig sicher, wird uns noch lange beschäftigen. (Anne Katrin Feßler, 6.5.2015)