Die wie in Öl getauchten Motorsägen von Monika Bonvicini schlummern zwar, aber im Donnergrollen des Arsenale meint man dennoch, ihr gruseliges Surren zu vernehmen.

Foto: Anna Blau

Da hustet sich jemand sprichwörtlich die Seele aus dem Leib. Würgt, scheint fast zu ersticken. Man mag nicht hinhören, ja schon gar nicht hinschauen auf den sich auf dem Boden krümmenden Mann, rote Farbe wie Blut spuckend. Und so schieben sich auch die meisten Menschen an Christian Boltanskis Video L' homme qui tousse (1969) vorbei. Wie im richtigen Leben. Dabei ist es ein starkes Motiv, am Anfang der Ausstellung All the World's Futures im zentralen Pavillon in den Giardini. Nach dem schwarzen Ende, in das Fabio Mauris Himmelsleiter führt, könnte der Neuanfang für die Gesellschaft warten: Aber stattdessen erbricht man das Alte. Man muss durch die Historie durchgehen, um sich von ihr zu lösen.

Nicht nur symbolisch, schon allein räumlich befindet man sich hier in einer Passage: Die Gänge sind schmal, weitere Filme bieten Bilder zum Zustand der Welt, aber es ist nicht der Ort zum Innehalten oder zum Reflektieren. Denn es ist noch immer Preview bei der Biennale Venedig, und die abertausend Erlesenen konsumieren Kunst, als wäre es rasant verderbliche Ware. Mit dem Sog muss man also mit, statt ausgerechnet hier widerständig zu werden.

Auch das ein stimmiges Bild zur Zeit, wenn wohl nicht unbedingt ein beabsichtigtes. Generell scheint Chefkurator Okwui Enwezor jedoch an den mächtigen, symbolisch reich aufgeladenen Bildern interessiert zu sein. Robert Smithsons toter Baum klagt an, wenige Schritte weiter lässt Thomas Hirschhorn ein ganzes Dach aus Zivilisationsmüll herunterbrechen. Dazwischen stolpert man über Alexander Kluge, der sich Sergei Eisensteins nie realisierten Plan, Das Kapital zu verfilmen, widmet: weder Hollywood noch Moskau waren interessiert.

Die drei Bände werden in Venedig ja nun vorgelesen: Wirkung bisher unbekannt. Isaac Julien, der die Mammutlesung inszeniert, hat die Marx-Bibel filmisch, teils ironisch aktualisiert; es beginnt mit einem Protest der Banker: "Wo sind unsere Boni?", skandieren sie, bevor die Molotowcocktails fliegen. Gerahmt wird das von Zeichnungen zu Demonstrationen im Allgemeinen: Rirkrit Tiravanjas Hymne auf ein Menschenrecht.

Aber wozu diese ganze Anhäufung schnöden Mammons? "Everything will be taken away", so Adrian Pipers schlichte Antwort. Pathoslastig allerdings die animierte Sisyphos-Paraphrase der Kenianerin Wangechi Muti: Am Schluss rinnt alles den Berg hinunter, außer einem kurzen Beben, nix gewesen.

Man wähnt sich inmitten einer Dramaturgie, die mit dem Motiv von Krieg und Gewalt und allerlei Donnergrollen im Arsenal fortgeführt wird: Schwerter sprießen wie Blumen, während Bruce Nauman in Neon den Kreislauf von Tod, Liebe, Hass, Freude, Schmerz und Leben beschwört. Auch der Sound, etwa von monströsen Trommeln und Hörnern (Terry Adkins) oder einer ohrenbetäubenden Kirchenglocke (Hiwa Ka) grollt dämonisch.

Der komponierte Parcours entpuppt sich jedoch als Chimäre: Vielmehr ist es ein Vor- und Zurück, ein Springen in Zeit und Themen. Dem großen Drama folgen zarte Arbeiten - so wie etwa Paperwork and the will of capital von Taryn Simon. Sie hat Blumenschmuck, der Vertragsunterzeichnungen zur Weltpolitik und -ökonomie flankiert, rekonstruiert. Es sind aber "unmögliche Bouquets", da die Blumen in der Natur niemals zusammen blühen könnten.

Stimmung und Zukunftsbilder sind eher apokalyptisch - der Phönix aus Schrott (Xu Bing) hängt träge an seinem Stahlgerüst. Daher kommen in diesem mahnenden, aber vielleicht zu vielteiligen globalen Puzzle Enwezors auch eskapistische Strategien - das Bild von der Natur als Zuflucht - nicht zu kurz.

Antworten für die Zukunft schlummern hier so wenig offensichtlich wie im täglichen Leben, aber die Perspektive der Kunst schafft wache Momente. Der Zeichnung von zwei Küken hat Olga Chernysheva den Satz beigestellt: "Ich würde gerne für eine Weile den Platz mit dir tauschen, um die Welt mit deinen Augen zu betrachten." (Anne Katrin Feßler aus Venedig, 7.5.2015)