Hypo 1 freute sich über den Meistertitel, Hypo 2 freute sich über den zweiten Platz. Nach dem Finale traf man sich zum gemeinsamen Foto.

Foto: Heinz Starka

Maria Enzersdorf – Ein Hund kam in die Südstadt. Es war ein Labrador, um genau zu sein, und um ganz genau zu sein, kam er in die große Sporthalle. Köche waren keine zugegen, der Hund hat auch sonst niemandem etwas weggenommen, er lag einfach nur da, Platz gab's genug in der vierten der sieben Sitzreihen. Der Hund begleitete zwei junge Männer, im Gegensatz zu ihnen ist ihm das letzte Spiel der österreichischen Meisterschaft im Frauenhandball sonst wo vorbeigegangen. Immerhin klopfte er hie und da mit seinem Schweif auf den Boden.

Hypo Niederösterreich 1, no na, hat das letzte Spiel gewonnen, so gesehen unterschied sich dieses Spiel nicht von den 23 Hypo-Spielen davor. Gegner waren die Kolleginnen von Hypo 2, die den Grunddurchgang etwas überraschend als Zweite beendet hatten. Hypo 1 siegte vor 120 Zusehern mit 35:18 (18:13), ähnlich hoch wie im "Hinspiel" (45:25), insgesamt 80:43. Es war für Hypo der, sage und schreibe, 39. Meistertitel en suite.

Die Wand an der einen Längsseite des Spielfelds schmücken Fahnen für jedes Jahr der Hypo-Erfolgsgeschichte. Diese Geschichte und die Wimpel beginnen mit 1977, seit damals war Hypo jedes Jahr Meister, ab 1988 kam jährlich ein Cupsieg dazu, auf acht Fahnen ist zusätzlich noch ein Sieg im Meistercup respektive in der Champions League vermerkt. Doch mit 2011 erreicht die Flaggenparade ein jähes Ende, weil es an der Wand einfach nicht mehr weitergeht. "Die Wand ist zu kurz", sagt Kati Kovacs, die bei Hypo nicht nur die Frau von Trainer Ferenc "Feri" Kovacs, sondern quasi Frau für alles ist. Kati checkt das Büro, checkt Termine, checkt die Pressearbeit. Nur die Sache mit den Fahnen hat sie noch nicht gecheckt. Einfach an der Wand auf der anderen Seite des Spielfelds weitermachen? "Keine schlechte Idee", findet Kati.

Kein Vergleich mit den Jahren unter Gunnar Prokop

Die Hypo ist natürlich nicht mehr die Hypo, die sie einmal war. Kein Vergleich mit den Jahren unter Gunnar Prokop. Unter ihm hatte Hypo NÖ weiland Hypo Südstadt, die großteils aus aller Welt zusammengekaufte und eingebürgerte Startruppe, die Europacuperfolge eingefahren. Prokop, das war der Handball-Zampano, der Mister Handball. Seine Mannschaft füllte die Halle, ihre Spiele wurden im Fernsehen live übertragen, als von ORF Sport Plus noch keine Rede war. Legendär die Duelle mit Spartak Kiew, Krasnodar, Lützellinden, Vasas Budapest oder Koprivnica.

2010 ist die Beziehung zwischen Prokop und Hypo in die Brüche gegangen. Seither gibt es offiziell kaum Kontakt. Feri Kovacs freilich, der jahrelang Hypo 2 betreute und seit Sommer 2014 der Cheftrainer von Hypo 1 ist, sieht Prokop regelmäßig. "Wir sind befreundet, ich habe dem Gunnar viel zu verdanken."

Noch in der vorigen Saison war Hypo gespickt mit Legionärinnen, allein sieben Spielerinnen von Weltmeister Brasilien standen in der Südstadt unter Vertrag. Im Sommer folgten sie alle dem Ruf des Geldes, das Geld im Damenhandball ruft heutzutage aus Osteuropa, aus Rumänien, Montenegro, Mazedonien, Russland. Sechs der ehemaligen Hypo-Brasilianerinnen spielen aktuell in Rumänien, die siebente ist in Frankreich gelandet.

Der österreichische Weg

Hypo hat abgespeckt, wohl gezwungenermaßen, auch wenn der Verein mit der Bank noch immer stark vernetzt ist. Klubpräsident Martin Kweta ist Geschäftsführer der Leasing-Tochter der Hypo-Niederösterreich-Gruppe. Aber die Bank ist halt auch nicht mehr, was sie einmal war. Hypo geht heute den Weg, von dem Prokop immer gesagt hat, dass er ihn gehen wolle. Den österreichischen Weg. Im Kader stehen, mit wenigen Ausnahmen, heimische Spielerinnen. "Im Vergleich zu früher hat sich das Budget halbiert", sagt Hypo-Obmann Gerhard Haidvogel. Wie hoch das Budget nun ist, will er nicht sagen, doch zu Prokop-Zeiten lag es bei etwa 1,2 Millionen Euro.

Bei Hypo gibt es heute keine Vollprofis mehr. "Die Spielerinnen verdienen ein bisschen etwas", sagt Kovacs, der Trainer, "sie studieren oder arbeiten daneben." Trainiert wird zwar praktisch täglich, aber stets am Abend, ab 18 oder 18.30 Uhr zwei bis zweieinhalb Stunden lang. Die vier, fünf Besten von Hypo 2 sind auch dabei. Dennoch stellt es den anderen Vereinen, findet Hypo-Obmann Haidvogel, ein Armutszeugnis aus, dass das Finale quasi Hypo-intern abläuft. Letztlich hatten SSV Dornbirn Schoren, die MGA Fivers und ZV McDonald's Wiener Neustadt gegen Hypo 2 im Grunddurchgang knapp das Nachsehen.

Ein bisschen Spannung

Hypo 2 kann Hypo 1 natürlich nicht wehtun. Aber an diesem Abend in der Südstadt, wo drüben im Stadion die Fußballer von Admira und Wiener Neustadt kein einziges Tor zusammengebracht haben, verkaufen sich die Hypo-2-Damen eine Zeit lang recht gut. Eine frühe Ausgeglichenheit (4:4) ist das höchste der Gefühle, aber auch der Pausenstand (13:18) kann sich sehen lassen. "Ich habe in der ersten Hälfte nicht eingegriffen", sagt Trainer Kovacs. "Es sollte ein bisschen spannend sein, schließlich war das Fernsehen da." Hypo 2, das seien "vor allem junge Spielerinnen, die es den Arrivierten zeigen wollen".

Kovacs ist stolz auf die vielen deutlichen Siege in der Meisterschaft. Nur ganz, ganz selten hat Hypo 1 mit weniger als zehn Toren Differenz gewonnen. Noch stolzer ist Kovacs auf den internationalen Auftritt. "Im Europacup sind wir mit dieser jungen Truppe weiter gekommen als mit den Brasilianerinnen. Vor einem Jahr sind wir im Viertelfinale ausgeschieden, heuer erst im Semifinale." Es war der Cup der Pokalsieger, den Hypo lange geschmückt hat, nachdem der Klub in der Champions League gescheitert war. Allerweil. Kovacs: "In der Klubrangliste haben wir uns vom elften auf den zehnten Platz verbessert." Dabei, so schätzt er, hätten etliche Vereine mittlerweile das mindestens vierfache Budget. "Was unsere finanziellen Möglichkeiten betrifft, liegen wir nicht unter den Top 50."

Hypo ist ein Familienbetrieb, nicht nur wegen der Familie Kovacs. Die Aktionen einzelner Spielerinnen, sei es von Hypo 1 oder Hypo 2, werden von Müttern und Vätern auf der Tribüne besonders heftig akklamiert. In der Pause des großen Finalspiels werden viele erfolgreiche Hypo-Nachwuchsteams geehrt. Nach der Pause kommt es, wie es kommen muss, wie es immer kommt. Hypo 1 zieht auf und davon. Kantersieg, große Freude, Medaillen-, Pokal- und Blumenstraußübergabe. Die eine oder andere Spielerin wird Hypo verlassen, die eine oder andere neue Spielerin wird kommen. Ob der Labrador wieder vorbeischaut, ist ungewiss. Mitte Juli ist Trainingsbeginn. 2016 wird Hypo zum 40. Mal Meister. An der Wand hinter der zweiten Längsseite des Spielfelds wäre für Flaggen noch jede Menge Platz. (Fritz Neumann, 18.5.2015)