Dublin - Irland gilt gemeinsam mit Malta und Polen als besonders konservativ in der katholischen Kirche. Homosexuelle waren lange Zeit nicht gut gelitten. Jetzt könnte die Republik sogar zum Vorreiter für die Rechte von Schwulen und Lesben werden.

Über die Iren gibt es viele Klischees. Sie trinken gern, sie feiern gern, sie singen gern. Und sie sind erzkatholisch. In dem kleinen Land im Nordwesten Europas waren Abtreibungen bis 2013 verboten, Homosexualität war bis 1993 noch eine Straftat. Doch inzwischen sind ausgerechnet die Iren bei den Rechten für Lesben und Schwule weiter als viele andere Länder in Europa.

An diesem Freitag sind die Einwohner Irlands aufgerufen, über die Einführung der Homo-Ehe abzustimmen - die volle rechtliche Gleichberechtigung homosexueller Paare. Irland würde so mit dem großen Nachbarn Großbritannien gleichziehen. Und es wäre das erste Land weltweit, das die Homo-Ehe per Volksentscheid einführt.

Die Aktivisten auf der grünen Insel sind guter Hoffnung. Alle Umfragen sagen voraus, dass die Iren grünes Licht für die Homo-Ehe geben. "Ich bin voller Vorfreude", sagt etwa Moninne Griffith, Chefin der Organisation Marriage Equality, die sich für ein Ja beim Referendum einsetzt. Seit Wochen geht sie von Tür zu Tür und versucht, ihre Landsleute zu überzeugen. "Ich bin sehr herzlich behandelt worden", betont sie. "Ich habe großen Respekt vor denen, die mit Nein stimmen, aber viele, mit denen ich gesprochen habe, haben ihre Meinung geändert."

Die gesellschaftliche Unterstützung für die Rechte Homosexueller in Irland hat in den vergangenen 20 Jahren enorm zugenommen. Bereits seit 2011 ist eine eingetragene Lebenspartnerschaft für Schwule und Lesben möglich. Sie garantiert schon jetzt praktisch die rechtliche Gleichbehandlung, etwa beim Erbrecht oder beim Thema Steuern. Die Homo-Ehe hat somit vor allem eine enorme symbolische Bedeutung.

Zu dem Sinneswandel unter den knapp fünf Millionen Iren mag auch beigetragen haben, dass die katholische Kirche ihre dominierende Rolle und viel Vertrauen verloren hat. Zahlreiche Berichte zeugten davon, wie katholische Geistliche, Nonnen und Angestellte mit brutaler Gewalt in Jugend- und Kinderheimen gehaust hatten. In vielen Fällen wurden auch kleine Burschen vergewaltigt.

Die Kirche selbst ändert aber ihre Haltung noch nicht. "Werden wir wirklich die erste Generation in der Menschheitsgeschichte sein, die sagt, dass Mütter und Väter bei der Erziehung von Kindern keine Rolle spielen", fragt Erzbischof Michael Neary, einer der einflussreichsten Geistlichen in Irland.

Die schwule Gemeinde in Irland ist in sich nicht ganz geschlossen hinsichtlich der Vorzüge einer Homo-Ehe. Paddy Manning etwa, langjähriger Aktivist für Schwulen-Rechte, hält die Ehe für ein Sakrileg. "Jedes gleichgeschlechtliche Paar mit Kindern bedeutet, dass mindestens ein Elternteil außerhalb der Familie lebt", sagt er. "Das bedeutet, dass eine Gleichbehandlung entweder unmöglich ist, oder Kinder ihrer Rechte beraubt werden."

Manning dürfte in der Minderheit bleiben. Die Regierung des konservativen Premierministers Enda Kenny steht praktisch einhellig hinter der Homo-Ehe. Gesundheitsminister Leo Varadkar hatte seine Homosexualität im Jänner sogar öffentlich gemacht. "Ich bin schwul. Es ist kein Geheimnis, aber vermutlich weiß es nicht jeder", hatte Varadkar erklärt.

Um Homosexuellen die Ehe zu ermöglichen, wollen die Iren die Verfassung ändern. Premier Kenny ruft ausdrücklich dazu auf, wählen zu gehen. "Noch ist nichts in trockenen Tüchern" warnt der Regierungschef. Wenn am Samstag die Ergebnisse feststehen, wollen Schwule und Lesben richtig feiern - vermutlich weit bis in den heiligen Sonntag hinein. (Fiona Smith und Michael Donhauser/dpa, 19.5.2015)