Der Designklassiker "Artichoke", eine Leuchte von Louis Poulsen mit 72 Blättern in Kupfer.

Foto: Louis Poulsen

Das Beistelltischchen samt Leuchte "Majordome" von Pauline Pinto und Benjamin Voisin.

Foto: Ligne Roset

Das Tischchen "Phobos" von Marie Christine Dorner.

Foto: Cinna

Es ist kaum zu übersehen: Kleiderbügel, Beistelltische, Brotkörbe, Lampenschirme, nichts, was nicht niet- und nagelfest ist, kann derzeit vor einem rötlich schimmernden Kupferüberzug sicher sein. Das Zuhause wird mit glänzenden Tabletts, Windlichtern und faustgroßem Konfetti, das an die Wände geklebt wird, aufpoliert. Von Übersättigung keine Spur. Ganz im Gegenteil, mit dem rötlichen Kupferschimmer lässt sich im Einrichtungsbereich gerade eine goldene Nase verdienen.

Doch warum diese Euphorie? Warum all die Anleitungen zum Zusammenschrauben von Kerzenständern aus Baumarktkupferrohren, all die Magazine und Blogs mit ihren "Dekotipps im Kupferlook"? "Ganz einfach", sagt Axel Venn, Professor für Farbgestaltung in Hildesheim: "Wir sind die anderen Metalle leid: Das geputzte Aluminium, Edelstahl und all die martialischen Metalltöne, die funktionalistisch aussehen und auf ihren Gebrauchsnutzen hin getrimmt sind." Kupfer hingegen habe etwas Nostalgisches. Auch deshalb taucht es in Wellen in den Wohnwelten auf.

Als 1969 der Comic-Band "Asterix und der Kupferkessel" herauskam, mag der Titel eher dem Zufall als dem Zeitgeist geschuldet gewesen sein. Doch im Rückblick hatten die Gallier mit den Boomjahren der Ära Kreisky eines gemein: In den 1960er- und 1970er-Jahren erwachte im Einrichtungsbereich die Leidenschaft fürs warmschimmernde, gut formbare Halbedelmetall. Damals wurde neben Kupferlampen jede Menge Krimskrams in die gute Stube gestellt: "Gedengelte Vasen und Schalen, Dekorgießkannen im Fenster, handgetriebene Aschenbecher, Salzbrezelhalter - da sah man jeden Hammerschlag, das war damals sogar teuer", erklärt Venn. Auch an kupferfarbenen Staubfängern lässt sich im Rückblick eben der Zeitgeist ablesen.

Kupferkessel

In den 1980er-Jahren lag der Kupferschwerpunkt schon wieder ganz woanders. Damals wurde die Kultur des Kochens großspurig inszeniert. "Es musste alles, egal wie scheußlich es dann schmeckte, in großen Kupferpfannen flambiert werden", erinnert sich Venn. Und heute, da ist sich der Professor sicher, sei der Gipfel des aktuellen Kupfertrends noch nicht erreicht. Seine Erklärung: "Die Leute hatten vor einigen Jahren noch Fernweh, heute haben sie Heimweh. Ich beobachte eine Hinwendung zur archaischen Gemütlichkeit. Man sitzt an edlen Holztischen, die wie massive Refektoriumstische aussehen, findet sich am Kamin zusammen." Dazu passt das heimelige Kupfer, das auf den ersten Blick lässiger als vor fünfzig Jahren daherkommt. Die gedengelten Vasen von damals? Würden heute als spießiger Nippes belächelt.

Die Kupferwelle der vergangenen Jahre hat ihre eigenen Heroen, ihr ganz eigenes Zeichensystem hervorgebracht. Zu Beginn vor allem von minimalistischem skandinavischem Design beherrscht, ist der gut verkäufliche Kupferglanz mittlerweile auch bei Interio, Zara Home und vielen anderen eingezogen.

Angenehmes Licht

Und dann wäre da noch Tom Dixon. In hippen Wohnungen tropft gerade ziemlich verlässlich dessen kupferfarbene Leuchte "Copper Shade", 2005 entworfen, von den Decken. Die Gründe für die Beliebtheit der Verbindung von Licht und Kupfer liegen für die Designerin Kathrina Dankl auf der Hand: "Kupfer reflektiert das Licht, die Rosétöne sind angenehm, das Material bekommt eine Patina und macht sich selbst bei Leuchten, die mit LED oder Energiesparlampen bestückt sind, gut." Besonders beliebt: skandinavische Lampenklassiker wie von Fog & Morup oder die "Artichoke", 1958 von Louis Poulsen entworfen. Außerdem der Renner unter den Kupferprodukten: kleine Beistelltische und Tabletts. Seit das Frankfurter Unternehmen "e15" 2008 das Habibi-Tablett ins Programm genommen hat, ist auch Kupfer fester Bestandteil der Materialpalette.

Mittlerweile wird der warme Glanz aber auch in Küchen und Bäder integriert. Längst ist die "Kitchen Aid" in rötlicher Kupferoptik zu haben, die Isolierkanne von Stetson wurde erst im vergangenen Jahr in neuen Kupfernuancen aufgelegt. Und für das Bad hat der deutsche Armaturenhersteller Dornbracht seit vergangenem Jahr seine Armaturenserie MEM in einem Roségoldton in petto. Die besteht nicht nur aus 18-karätigem Gold, sondern auch aus, no na, Kupfer.

Kuscheloase

Überhaupt scheint die kupferne Gemütlichkeit so überhaupt keine Grenzen zu kennen. Es ist noch nicht lange her, da wurde der neue Edeljapaner Shiki (RONDO berichtete) in Wien von den BEHF-Architekten mit Wandpaneelen aus Kupfergewebe ausgestattet. Als Wandbekleidung oder Regaloberfläche sei das Material nach wie vor interessant, so das Büro BEHF. In London und New York, wo das Material seit mindestens zwei bis drei Jahren in hochwertigen Innenausbauten eingesetzt werde, könne man allerdings schon das Abflauen des Kupfertrends beobachten.

Dafür geht's woanders in die Vollen. Aktuell werden auch Autos mithilfe von Kupferelementen zur zweiten Kuscheloase getunt: Die Ausstattung des Oberklassewagens Volvo Concept Estate, im vergangenen Jahr mit großem Tamtam vorgestellt, liest sich wie die Zutatenliste zu einem "schwedischen Wohnzimmer": Da werden "naturgegerbtes Sattelleder" und "Einsätze aus gewachstem, natürlich gealtertem Holz" mit Details aus bearbeitetem Kupfer kombiniert. Kaum zu glauben, dass es da um die Innenausstattung eines Autos geht.

Aber wo nahm der Kupfertrend denn nun seinen Anfang? Axel Venn verortet das vor einer Dekade aufkeimende Interesse an Kupferelementen auf Flohmärkten und in Antiquitätenläden. Neues, ist er sich sicher, entstehe immer aus einer untreuen Haltung zu vorherrschenden Bewegungen heraus. Der neueste "letzte Schrei"? Sitzt also schon wieder in den Startlöchern. (Anne Feldkamp, RONDO, 26.5.2015)