Kleider machen Leute, lautet ein bekanntes Sprichwort. Und es stimmt: Wer im Anzug zu einem Gespräch erscheint, tritt automatisch selbstbewusster auf als jemand, der im Schlabberlook daherkommt. Auch auf das Gegenüber macht seriöse Kleidung Eindruck: Der Business-Look verkörpert Professionalität.

Aber nicht nur das: Wie US-Wissenschafter nun herausgefunden haben, führt das Tragen formaler Kleidung sogar zu kognitiven Veränderungen. In ihrer Studie "The Cognitive Consequences of Formal Clothing" untersuchten die Forscher, wie die Kleidung das abstrakte Denkvermögen beeinflusst. Dazu befragten sie auf einem Universitätscampus 60 zufällig ausgewählte Studenten mittels Fragebogen.

Auf einer Skala von eins (wenig formal) bis sieben (sehr formal) sollten die Probanden die unterschiedlichen Outfits bewerten. Dazu sollten sie Objekte bestimmten Überkategorien wie "Möbel", "Fahrzeuge" oder "Gemüse" zuordnen: Ein Kamel passt zum Beispiel am ehesten in die Kategorie "Fahrzeuge" – ein anerkanntes Forschungsverfahren, um abstraktes Denkvermögen zu testen.

Analysefähigkeit steigt

Das überraschende Ergebnis der Untersuchung: Je formaler die Kleidung wirkte, desto abstrakter fielen die Urteile aus. Kleidung und kognitive Fähigkeiten korrelierten also.

Um eine rein zufällige Koinzidenz auszuschließen, führten die Forscher zwei weitere Tests durch, in denen sie die Formalität experimentell manipulierten - und zwar, indem sie die Studenten aufforderten, zwei verschiedene Kleidungssets mitzubringen: eines, das formal für ein Bewerbungsgespräch geeignet wäre. Und eines, das sie eher in der Uni tragen würden. Dann konfrontierten die Forscher sie mit demselben Fragekatalog wie zuvor.

Es zeigte sich, dass die Probanden im legeren Dress zu demselben Ergebnis gelangten wie in der ersten Testrunde. Die Versuchsteilnehmer, die in formaler Kleidung erschienen, konnten hingegen die Gegenstände besser den abstrakten Kategorien zuordnen. Daraus schließen die Forscher, dass Anzugträger analytischer denken. "Das Tragen formaler Kleidung war verbunden mit erweiterten abstrakten Denkprozessen", resümieren sie in ihrem Paper. "Wir haben herausgefunden, dass sich Leute mit formaler Kleidung mächtiger fühlen, was sie wiederum zu abstrakterem Denken veranlasst", sagt Koautor Michael Slepian von der Columbia Business School.

Macht-Symbole

Der Anzug sei ein "Symbol der Macht". Formale Kleidung hebe einen zudem von anderen ab und vermittle das Gefühl von "sozialer Distanz". "Wenn man sie trägt, befindet man sich meist in einer Umgebung, wo die Menschen weniger intim, sondern förmlich interagieren und soziale Distanz bewahren", sagt Slepian. "Das Tragen formaler Kleidung führt eher zu einem Denken in Zusammenhängen als einem konkreten Denken, das sich auf Details konzentriert." Im Anzug sieht man also das große Ganze.

Dieser Befund weist in eine ähnliche Richtung wie die Ergebnisse einer Studie aus dem Jahr 2012. Hier konnten Forscher bereits nachweisen, dass Probanden mit einem weißen Kittel, der gemeinhin mit dem eines Arztes assoziiert wird, aufmerksamer waren. Welche Effekte die Kleidung wiederum auf das Gehirn hat, konnte damals allerdings nicht festgestellt werden.

Weniger Anzugträger

Die Versuchung wäre groß, aus den Ergebnissen der Studie zu schließen, dass die kognitiven Fähigkeiten aller steigen, wenn jeder einen Anzug tragen würde.

Das sei jedoch nicht zulässig, sagt Slepian. "Wenn jeder formale Kleidung tragen würde, wäre sie nicht mehr formal." Das Tragen zu formaler Kleidung könnte außerdem "unbeabsichtigte Folgen" haben, sagt der Forscher. Man stelle sich beispielsweise einen Bademeister im Anzug vor. Er würde vermutlich schief angeschaut werden, sich schnell unwohl fühlen und nicht mehr die geforderte Leistung bringen.

Denkbar wären zwei Szenarien: Dadurch, dass Casual Look an immer mehr Arbeitsplätzen zur Norm wird (beispielsweise bei Google oder Facebook), verliert der Anzug seine symbolische Macht. Oder sein positiver Effekt wird durch die sinkende Zahl der Anzugträger verstärkt.

Schon in der Schule

Glaubt man jedenfalls den Ergebnissen der Kognitionsstudie, wären Schüler und Studenten gut beraten, ihre Prüfungen im Anzug zu schreiben. Denn formale Kleidung führt schließlich zu abstraktem Denken – und möglicherweise zu besseren Ergebnissen.

Eine neue US-Studie zeigt, dass der Kleidungsstil wesentlich mit der Fähigkeit zum abstrakten Denken und Analysieren zusammenhängt. Wer Anzug oder Businessdress trägt, fühlt sich mächtig – und erzielt in Prüfungen bessere Ergebnisse. (derstandard.at, 23.5.2015)


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