Wie geht man integrativ mit kultureller Differenz um? Nur ein Aspekt des Vortrags zu globaler Leadership von Josef Wieland. Die Gastgeber Barbara Heitger und Martin Engelberg (von links) führten durch den Abend.

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Was macht gute Führung aus? Eine Frage, die längst nicht nur in den Chefetagen diskutiert wird, sondern bei der die Gesellschaft ein ganzes Stück mitredet. Das Thema sei so ambivalent und spannend wie nie zuvor, sagt Josef Wieland, Inhaber des Lehrstuhls für Institutional Economics, Organisational Governance, Integrity Management and Transcultural Leadership an der Zeppelin-Uni Friedrichshafen.

Um die normative Seite des Geschäfts zu erkennen, müsse man nur an den Brand der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch denken. Textilunternehmen standen hart in der Kritik. Die Führung eines Unternehmens habe nicht einmal gewusst, dass dort produziert wurde. Das kam erst nach internen Untersuchungen heraus, erzählt Wieland. Global Leadership, Leistung und Verantwortung im transkulturellen Kontext, beschreibt Wieland vor diesen zwei Hintergründen: Einerseits habe diese Katastrophe verdeutlicht, dass die ökonomischen Wertschöpfungsketten so kompliziert geworden seien, dass ein Überblick oft unmöglich erscheine. Andererseits habe man hier auch deutlich gesehen, dass die Gesellschaft Verantwortung von den Unternehmen einfordert. Diese Werte sind global aber höchst unterschiedlich – eine der Herausforderungen von New Leadership.

Menschenrechte geltend machen

Was also tun, um ein Unternehmen durch die verwobene, heterogene Welt zu führen? Wieland beschreibt, wie dringlich ein neues Herangehen an Leadership ist, denn die Probleme, die wir haben, könne niemand mehr alleine lösen: "An globalen Regeln und Standards soll gearbeitet werden, aber Unternehmen müssen vor allem verstehen, dass sie auch Regelsetzer sein können und sollen – und nicht nur die Regeln einhalten müssen." Die gestärkte Rolle der Unternehmen geht natürlich mit viel mehr Verantwortung einher. Der Träger des Max-Weber-Preises für Wirtschaftsethik weiß das aus den etlichen Arbeitsgruppen, in denen er federführend beteiligt ist, wie im CSR-Forum der deutschen Bundesregierung oder als Compliance-Monitor bei der Weltbank. Auch arbeitet Wieland an der Formulierung der Post-2015-Millennium-Development-Goals mit.

"Zum ersten Mal in der Geschichte haben Unternehmen die Rolle, Menschenrechte zu organisieren und zur Geltung zu bringen", sagt Wieland und nennt als Beispiel etwa die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Zusammenhang mit Bildung. Bei Menschenrechten gehe es nicht nur um Afrika. Die Frauenquote in Deutschland zähle genauso dazu.

Trans- statt Interkulturalität

Was Führungskräfte unter anderem tun sollten, ist sich an der Logik von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zu orientieren. "Wenn man heute Business machen will, muss man das in Abstimmung mit der Gesellschaft tun. NGOs agieren nicht hierarchisch, sondern intersektional und sind sehr kreativ." Aus normativen Vorgaben wie Integrity, Compliance oder Sustainability müsse man ein Businessmodel machen. Dafür muss man einschätzen können, in welche Richtung sich Diskussionen um Energie oder Mobilität in der Zukunft bewegen. Wieland: "Da geht es nicht mehr darum, wie effektiv ein Auto ist, sondern ob wir überhaupt ein Auto wollen in Städten mit 30 Millionen Einwohnern."

Als moderne Führungskraft gelte es, auf Trans- statt Interkulturalität zu setzen, weil hier statt der Unterschiede Gemeinsamkeiten betont werden. "Wenn Sie Wanderarbeitern in China mit Work-Life-Balance kommen, dann lachen die Sie aus." Ein weiteres Beispiel: Diversity in Russland. Mit der westlichen Idee komme man oft nicht weit, sagt Wieland. Dessen müsse man sich in Europa endlich bewusst werden, denn "wir sind nicht mehr die großen Big Macs", vielmehr würde Europa sich durchwursteln. Wie arbeitet man sich als Führungskraft aber durch diesen Dschungel an unterschiedlichen kulturellen Werten? Hier gilt es, den kleinsten gemeinsamen Nenner – eine Gemeinsamkeit – zu finden. Beispiel Kinderarbeit, wo die Internationale Arbeitsorganisation ILO unterschiedliche Kategorien definiert: "Child work" gibt es auch bei uns, "child labour" zum Familienerhalt ist in vielen Ländern nicht wegzudenken und legal, aber "child exploitation", Ausbeutung zu sanktionieren ist auch im Sinne der Länder, in denen Kinder schon früh arbeiten.

Werte einfordern

Dass die Gesellschaft Werte von Unternehmen einfordert, das zeige sich auch am Shift vom Shareholder-Value zu Shared Values. Laut Wieland nur ein neues Sprachspiel, aber ein wichtiges - denn Unternehmen werden daran gemessen. Auch Integrität, Inklusion, Sorgfalt, Auswirkung, Effektivität, Transparenz, Kontrolle und Beichte zählen zu den Kernbegriffen der Bewertung durch die Gesellschaft.

Ethical Leadership könne schnell zur Büchse der Pandora werden, wenn man nicht die notwendigen Strukturen schafft. Ein Blick darauf, welche Trainings ein Unternehmen anbietet oder welche Policies es gibt, kläre oft die ethische Motivation.

Vorbildverhalten, Ehrlichkeit, Vorausdenken - das müssen für Wieland moderne globale Führungskräfte mitbringen. Und: "Man muss auch ein Hauch Kosmopolit sein, um ruhig durch die Welt zu gehen und den Spagat zwischen geschäftlichem Erfolg und persönlichen Ambitionen zu schaffen." (Lara Hagen, 26.5.2015)