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Wahlkampfveranstaltung der Regierungspartei EPRDF. Auch ohne viel Zutun der Anhänger wird sie am Sonntag reüssieren können.

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Addis Abeba / Wien - Im April, einen Monat vor der Parlamentswahl in Äthiopien, ging der Aktivist Getahun Abraham zum örtlichen Regierungsbüro, übergoss sich mit Benzin und zündete sich an. Ein vergleichbarer Akt hatte Ende 2010 in Tunesien den Arabischen Frühling ausgelöst - der aktuelle Fall sorgte in Äthiopien allerdings nicht weiter für Aufregung.

Offene Proteste gegen die regierende Partei "Revolutionäre Demokratische Front der Äthiopischen Völker" (EPRDF) gab es zuletzt nach der Wahl 2005. Sie endeten in einem Massaker mit 200 Toten. Seither werden kritische Stimmen im Stillen niedergerungen und Journalisten mittels Anti-Terror-Paragraf eingesperrt.

Das Regime der EPRDF, das seit 1995 an der Macht ist, hat das Land fest im Griff. Zuletzt erreichte die Partei im Jahr 2010 99,6 Prozent aller Parlamentssitze, nur einer der insgesamt 547 ging an die Opposition. Bei der Wahl am Sonntag wird ein ähnlich hohes Ergebnis erwartet. Zwar treten insgesamt 58 Parteien an, doch im Straßenbild und öffentlichen Leben Addis Abebas sind die Oppositionsparteien wenig präsent.

Auch inhaltlich können die Kontrahenten dem derzeitig regierenden Premierminister Hailemariam Desalegn, der Langzeitherrscher Meles Zenawi nach dessen Tod 2012 direkt nachfolgte, wenig entgegensetzen. Die Zahlen sprechen für sich. Äthiopien kann in den letzten fünf Jahren mit einem jährlichen Wirtschaftswachstum von fast zehn Prozent aufwarten. Im ganzen Land und insbesondere der Hauptstadt wird eifrig gebaut. Bis 2017 soll der größte Staudamm auf dem afrikanischen Kontinent errichtet werden. Die Armutsrate konnte zwischen 2005 und 2013 von 39 Prozent auf 26 Prozent verringert werden. Umgeben von Konfliktgebieten wie Somalia, dem Südsudan und Sudan, sieht sichÄthiopien, das einzig afrikanische Land, das nie unter Kolonialherrschaft stand, als Hort des Friedens - zumindest an der Oberfläche. Auch das wird der Regierung hoch angerechnet.

Keine EU-Wahlbeobachter

36,8 Millionen von insgesamt mehr als 95 Millionen Äthiopiern haben sich zur Wahl registriert. Das sind fast 95 Prozent der Wahlberechtigten und damit um 15 Prozent mehr als noch 2010. Dennoch sind Überraschungen ausgeschlossen. Der Guardian bezeichnet den Ausgang als den vorhersehbarsten im afrikanischen Wahljahr. Beobachtet wird die Wahl dieses Mal nur von der Afrikanischen Union. Die EU begründet das Fernbleiben ihrer Wahlbeobachter damit, dass ihre Empfehlungen nach den vergangenen Wahlen nicht angenommen worden wären. Vor allem die Mediensituation hat sich in den letzten Jahren drastisch verschlechtert. Privatmedien wurden gezwungen zuzusperren, 30 Journalisten flohen 2014 ins Exil, 17 landeten im Gefängnis. Das "Committee to Protect Journalists" zählt Äthiopien deshalb zu den zehn Ländern mit der stärksten Zensur weltweit.

Weniger kritikwürdig befand US-Staatssekretärin Wendy Sherman die Lage im Vielvölkerstaat bei ihrem Besuch im April. Sie lobte, dass es großen Fortschritt gebe: "Äthiopien ist eine Demokratie. Von den Wahlen erwarten wir, dass sie frei, fair, glaubwürdig, offen und inklusiv sein werden." Der äthiopische Außenminister Tedros Adhanom nahm diese positiven Aussagen im Vorfeld der Wahl dankbar an, postete sie auf Facebook und ließ sie wiederholt im staatlichen Radio ausstrahlen. (Teresa Eder, 24.5.2015)