Internettherapeut Dominik Batthyány: Dass die Leute überhaupt zu einer Therapie kommen sei die größte Herausforderung

Foto: Michael Rausch-Schott

Sein Beruf ist in den 90er-Jahren entstanden, "als die Menschen bemerkt haben, dass sie die Kontrolle verlieren, wenn sie im Netz unterwegs sind". Seitdem würden sich mehr und mehr in diesem "riesigen Raum" verlieren, sagt Dominik Batthyány - Internettherapeut.

Was die Anziehung des World Wide Web ausmache, sei, dass wir dort selbst aktiv werden, sagt der Therapeut, der das Institut für Internet- und Mediensucht an der Sigmund-Freud-Privatuni leitet. Das berge ein enormes Suchpotenzial - und mache das Netz mächtiger als traditionelle Medien. "Es entsteht eine tückische Sogwirkung. Man vergisst den Alltag, taucht völlig ab."

Die Grenze

Und ab wann wird dieses Abtauchen zur Krankheit? "Das hängt von der Funktion ab, die das Verhalten im Leben eines Menschen spielt." Das Internet zu nutzen sei per se nicht schlecht, sagt Batthyány, "auch Weintrinken ist ja nicht schlecht." Problematisch werde es dann, "wenn man es braucht, um mit dem Alltag zurechtzukommen".

In seiner Praxis empfängt Batthyány Patienten jeden Alters. Bei ihnen beobachtet er jeweils andere Abhängigkeiten. Während bei Kindern oder Jugendlichen häufig Computerspielen zur Sucht wird, sei es bei Erwachsenen das exzessive Sammeln von Informationen oder die Nutzung von Social-Media-Plattformen. "Betroffene erleben das als große Einschränkung. Es raubt ihnen Zeit, hält sie von dem ab, was sie sonst noch interessiert."

Verstärker

Auch die neben Drogensucht klassischen Süchte wie Glücksspiel- oder Einkaufssucht seien durch das Netz gefährlicher geworden: "Man kann nun sieben Tage die Woche spielen, 24 Stunden lang. Es gibt keine Regulierung, keinen Schutz." Das internetfähige Smartphone verschärft das Problem weiter.

Die Therapie von Internetsucht läuft ähnlich ab wie die anderer Verhaltenssüchte. Zuerst gehe es darum, abzuklären, welche Funktion die Sucht für den Betroffenen erfüllt.

Batthyány: "Meist sind es grundlegende menschliche Bedürfnisse, die online gestillt werden. Wer permanent über Facebook kommuniziert, hat womöglich große Sehnsucht nach Anerkennung oder Nähe." Ist die Ursache benannt, müssen Strategien zur "digitalen Entgiftung" gefunden werden. Erwachsenen rät Batthyány, sich neue Hobbys zu suchen. Bei Kindern können erlebnispädagogische Maßnahmen helfen: "Rausgehen, spielen, mit anderen zusammen sein".

Heran kommen, thematisieren

Die größte Herausforderung in diesem Job: "Betroffene, speziell Jugendliche, überhaupt in die Therapie zu bekommen", denn "sie sehen häufig erst spät die Notwendigkeit, etwas zu ändern." Freunde und Familie würden ihnen nicht selten die ersten negativen Folgen des Suchtverhaltens aus dem Weg räumen. "Wie etwa die besorgte Mutter, die ihrem spielsüchtigen Kind das Essen ins Zimmer bringt. Auch im Büro passiert es, dass Arbeiten abgenommen werden."

Der Internettherapeut hat eine klassische Psychotherapieausbildung hinter sich. Die Spezialisierung erfolgt durch Fortbildungen und "die Arbeit im Feld", sagt Batthyány, der glaubt, dass es in Zukunft mehr Nachfrage nach Therapeuten mit seinem Schwerpunkt geben wird, "weil das Problembewusstsein steigt." (29.5.2015)