Dimitrije Gojkovič ist der Gewinner des diesjährigen Vöslauer-Modepreises.

Foto: Christian Benesch

Die weiße Wollweste besteht aus vier hauchdünnen Schichten.

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Stylistin und Model Adia Trischler in Dimitrije Gojkovič Gewinnerkollektion. Die Schuhe sind Einzelanfertigungen und bestehen aus hunderten gespitzten Bleistiften.

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Dieses Kleid, das im Grunde nichts anderes ist als die nach außen gewendete Version eines anderen (sichtbar auf dem ersten Bild).

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"Ich möchte kein Modedesigner sein, ich möchte einfach nur Kleider herstellen." Es sind Sätze wie diese, mit denen Dimitrije Gojkovič für Irritationen sorgt. Sein ganzes bisheriges Erwachsenenleben hat der Absolvent der Wiener Angewandten an verschiedenen Modeschulen und Modeuniversitäten studiert. Erst in Paracin, einer kleinen serbischen Stadt, in die er gemeinsam mit seiner Familie aus Kroatien flüchten musste, dann in Belgrad und schließlich in Basel und in Wien. "Ich nähe, seitdem ich 14 bin." Jetzt ist Dimitrije Gojkovič 32, und er näht immer noch. Er näht und er strickt und er häkelt und er stickt. Aber ein Modedesigner, nein das möchte der blasse Mann mit den dunkel schattierten Augen nicht sein.

Modedesigner, das klinge so prätentiös, so abgelöst von dem, womit sich Gojkovič tagtäglich beschäftige. Mit Stoffen und mit Schnitten. Schneider will er sich aber auch nicht nennen. Wäre der Satz nicht ein bisschen abgeschmackt, man müsste schreiben: Gojkovič geht seinen eigenen Weg – ist er immer schon gegangen. Als an der Wiener Angewandten der deutsche Designer Bernhard Willhelm die Modeprofessur übernahm, ging Gojkovič in die innere Emigration. "Ich konnte von ihm nichts lernen. Er hat ein anderes Verständnis von Mode als ich." Als er anfangs in Österreich keine Arbeitserlaubnis bekam, bot er seine Dienste kurzerhand Kommilitonen an.

Lob für Präzision

Sie zeichneten die Entwürfe – er setzte sie um. Erst in den Werkstätten an der Universität, später in seinem Atelier, baute er so ein kleines Business auf. "In der Anfangszeit kam ich auf nicht mehr als fünf Euro die Stunde, heute schaut es glücklicherweise anders aus." Das hat damit zu tun, dass über die Jahre hinweg immer mehr Stylisten und Designer seine Dienste schätzen lernten.

Die Wiener Modemacherin Claudia Brandmair lässt ihre Prototypen bei Gojkovič fertigen – und manchmal auch kleinere Aufträge –, ebenso Designerin Jana Wieland. Braucht ein Stylist Spezialanfertigungen für Werbejobs, dann ist Gojkovič der erste Ansprechpartner. "Für mein erstes Sakko habe ich drei Wochen gebraucht, heute geht es ruck, zuck." Hört man sich in heimischen Modekreisen um, dann wird die Präzision gelobt, mit der Gojkovič ans Werk geht – seine Liebe zu Materialien, seine Fähigkeit, schwierige Schnitte umzusetzen.

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New Wool

All diese Eigenschaften zeichnen auch Gojkovič Diplomkollektion aus, für die er den mit 3.000 Euro und einem Editorial im Rondo dotierten Rondo-Vöslauer-Modepreis erhält. "New Wool" hat er sie genannt, aber es hätte wohl auch ein ganz anderer Name sein können. Gojkovič lässt sich weniger von abstrakten Theorien als von seinem Bauch leiten. "Ich bin ein Fan der Künstlerin Marina Abramovic. Auch bei ihr geht es immer um ein Gefühl, um Energie." Vor drei Monaten wusste er noch nicht einmal, dass er sein Studium in diesem Semester abschließen werde. Doch dann kam ihm ein Stoffrest in die Hände und ein paar Tage später noch ein zweiter. Die Ideen, was man daraus machen könne, ergaben sich wie von selbst. Gojkovič drapierte die Stoffe an einer Puppe. Statt Skizzen zu machen, begann er gleich mit den Schnitten. "Das mache ich immer so, das spart Zeit."

Gojkovič ist ein Praktiker, und das ist vielleicht auch der Punkt, warum er sich dagegen wehrt, Modedesigner genannt zu werden. Konzeptmode misstraut er, wenn es nur darum geht, durch Mode eine besondere Weltsicht zu unterstreichen, dann interessiert sie ihn schlichtweg nicht. "Schau dir diesen Stoff an", sagt er, und zeigt dann auf eine weiße Wollweste. "Sie besteht aus vier Schichten." Mousseline, Strick, ein Woll-Seidengemisch und Organza. Jede Schicht ist so hauchdünn, als würde sie sich jeden Moment auflösen. Materialien wie diese in eine für sie perfekte Form zu bringen, darum dreht sich Gojkovič Tun und Denken. Erklärungen dafür müssen derweil andere abgeben.

Maskulin, feminin

"Ich hasse es, über das, was ich mache, sprechen zu müssen", sagt er und erklärt dann doch erstaunlich klar, wie die einzelnen Teile in seiner Kollektion miteinander kommunizieren. Das eine Kleid (viertes Bild), das im Grunde nichts Anderes ist als die nach außen gewendete Version eines anderen (sichtbar auf dem ersten Bild). Feminine Formen, die sich maskulin geben - und umgekehrt. Abnäher, die um ein paar Zentimeter verrückt werden und dadurch ganz neue Silhouetten ermöglichen. Genauso wie der britisch-zypriotische Designer Hussein Chalayan, der im vergangenen Semester die Leitung der Modeklasse übernahm, fühlt sich auch Gojkovič dem Experiment verpflichtet. "Chalayan muss man nichts erklären, er versteht es auf den ersten Blick."

Während der Herr Modeprofessor aber durchaus konzeptionell denkt, geht Gojkovič von den Materialien aus. Über eineinhalb Jahre arbeitete er an einem Kleid, auf das er abertausende Perlen stickte. Jede Masche eine Perle – und das jeden Tag ein paar Stunden lang. "Ich habe das für mich gemacht." Eine halbe Ewigkeit werkte er an Schuhen, deren Sohle er mit Hunderten Bleistiften bestückte (im Shooting zu sehen), und die erst dann perfekt waren, als man mit ihnen auch gehen konnte. "Ich liebe es, wenn ich mich selbst überrasche." Wie gut, dass Gojkovič mit seinen Kreationen auch andere beeindruckt. (Stephan Hilpold, Rondo, 5.6.2015)