Aus Cannabisblüten und ferner -blättern extrahiertes THC soll künftig von Ärzten verschrieben und von Apothekern verabreicht werden.

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Wien – Der aus der Cannabispflanze gewonnene Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) soll in Österreich für medizinische Zwecke freigegeben werden. Ein entsprechender Vorschlag zur Novellierung der Suchtgiftverordnung befindet sich seit 26. Mai und noch bis 7. Juli in Begutachtung.

THC ist das anteilsstärkste der 85 in der Hanfpflanze vorkommenden Cannabinoide. Es wirkt psychoaktiv, also berauschend, appetitfördernd, schmerzhemmend und kann Depressionen, Übelkeit und Muskelspasmen lindern.

Bisher dürfen Ärzte in Österreich nur (teil-)synthetisch hergestellte Cannabinoide verschreiben, die ähnlich wirken wie das Naturprodukt. "Die Novelle sieht vor, dass künftig auch aus der Cannabispflanze gewonnenes Delta-9-Tetrahydrocannabinol der ärztlichen Verschreibung in Form magistraler Zubereitungen zugänglich gemacht wird", heißt es dazu aus dem Gesundheitsministerium. Erforderlich sind "eine entsprechende Indikation, beispielsweise bei Krebs oder Multipler Sklerose", und "ein für pflanzliche Arzneiwirkstoffe vorauszusetzender Reinheitsgrad".

Dronabinol und "Spice"

Der Unterschied zwischen synthetisch produziertem und aus Cannabisblüten beziehungsweise -blättern gewonnenem natürlichem THC liegt vor allem in der größeren Wirkstärke, möglichen Nebeneffekten und in einem höheren Preis. Synthetische Cannabinoide, die meist auf Basis von Nutzhanf im Labor nach chemischen Verfahren hergestellt werden, docken am Körper an denselben Rezeptoren an wie das in der potenten Hanfstaude vorkommende natürliche Delta-9-THC. Es kann dort je nach Dosis allerdings vielfach stärkere Reaktionen erzeugen, die mit Nebenwirkungen von Schweißausbrüchen über Schlaflosigkeit bis zu Psychosen einhergehen können.

In Österreich dürfen nach gültiger Gesetzeslage teilsynthetisch hergestelltes THC unter dem Freinamen Dronabinol und das vollsynthetische Derivat Nabinol ärztlich verordnet werden. Stärker in der Aufmerksamkeit standen die synthetischen Cannabinoide in jüngerer Zeit aber wegen ihrer illegalen Verbreitung in Form der berauschenden "neuen psychoaktiven Substanzen", die unter dem Namen "Spice" als Kräutermischungen oder Badesalze angeboten werden.

Neue Ausnahme auf Verbotsliste

Die Suchtgiftverordnung, die nun zum Zweck der medizinischen Freigabe von THC geändert werden soll, listet unter anderem jene Substanzen auf, die bisher auch aus medizinischen Gründen nicht verabreicht werden durften. So heißt es in Paragraf 14: "Nicht verschrieben werden dürfen Zubereitungen aus Heroin, Cannabis, Cocablättern, Ecgonin und den im Anhang V dieser Verordnung angeführten Stoffen." In Ziffer 3 soll durch die Novellierung eine neue Ausnahme hinzugefügt werden, und zwar für den "aus Cannabisextrakten isolierten Wirkstoff Delta-9-Tetrahydrocannabinol mit einem standardisierten Reinheitsgrad von mehr als 95 Prozent für magistrale Zubereitungen".

Auf die gesetzlichen Regelungen zum Anbau und Konsum von Cannabis für nichtmedizinische Zwecke wird die Novelle keine Auswirkungen haben. (Michael Matzenberger, 6.6.2015)