Jim O'Rourke – Simple Songs (Drag City)

cover: drag city

Simple Songs ist das fünfte Album, das US-Musiker und -Produzent Jim O'Rourke in diesem Jahr veröffentlicht. Und wir schreiben Juni. Bis dato liegen gemeinsame Veröffentlichungen mit seinem australischen Kollegen Oren Ambarchi, dem vor allem von sich selbst ziemlich überzeugten japanischen Gitarrengott Keiji Haino und dem deutschen Free-Jazz-Altmeister Peter Brötzmann vor. Abgesehen davon hat der 46-jährige Multiinstrumentalist und MP3-Hasser soeben sein nicht ganz leicht zu überblickendes Solo-Gesamtwerk zwischen Gitarrenimprovisation, Frickelelektronik, Post-Rock und Prä-Jazz online gestellt und produziert in seiner Wahlheimat Tokio diverse japanische Künstler und Bands.

Jim O'Rourke tut eines allerdings nicht mehr. Er geht nicht mehr auf Tour, weil er unter massiver Flugangst (oder an akutem Überall-schon-gewesen-Sein) leidet. Diesbezüglich müssen seine jahrelangen Jobs unter anderem als Mitglied von Sonic Youth, Gastr Del Sol, Red Krayola oder auch als Teil des Laptop-Trios Fenn O'Berg eher hart für ihn gewesen sein.

Barocke Lieder

Simple Songs ist sein erstes Songwriteralbum seit mehr als einem Jahrzehnt. Und es führt die mit Eureka oder Insignificance begründete Tradition fort, dass der besessene Musik-Nerd sich auch an einer Form des Songwriting versucht, die in den späten 1960er- und frühen 1970er-Jahren ihre Hochblüte erlebte. Jim O'Rourkes eigentlich nicht zwingend zum Singen angelegte Stimme ist über die Jahre etwas weniger schüchtern und sicherer im Ausdruck geworden. Sie wird aber ohnehin dank der mit japanischen Begleitmusikern unter anderem auch an Klavier und Violine erdachten Arrangements durch die acht Lieder getragen. Stilistisch muss man sich das wie den frühen Bowie im Balladenmodus vorstellen. Harry Nilsson, Randy Newman und Van Dyke Parks lassen auch schön grüßen. Cat Stevens wurde ebenfalls schon genannt. Einfache, zart zum Alltagszynismus neigende Texte schnuppern in den Bridges und Refrains gern ein wenig in den Rock-'n'-Roll-Barock hinein. Ein schönes, aus der Zeit gefallenes Album. (schach, 19.6.2015)