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Proteste in Eriwan.

Foto: AP/Khachatryan

Eriwan – In Armenien dauern die Demonstrationen gegen eine Erhöhung der Strompreise an. Auch nachdem Präsident Serzh Sarksyan die umstrittene Maßnahme vorläufig stoppte, weigerten sich bis zu 300 besonders entschlossene Demonstranten am Sonntag, das Zentrum der Hauptstadt Eriwan zu räumen.

Es wurde erwartet, dass sich am Abend erneut tausende Menschen zu den mittlerweile gegen die Regierung insgesamt gerichteten Protesten einfinden könnten. Sarksyan hatte am Samstag erklärt, die Regierung werde bis zu einer Prüfung der Begründung und wirtschaftlichen Konsequenzen der Strompreiserhöhung vorübergehend "die Last tragen". Die Annullierung der Preiserhöhung nannte er vor dem Kabinett "extrem gefährlich". Sollte die Prüfung ergeben, dass die Erhöhung berechtigt sei, würden die Verbraucher die Kosten tragen müssen, warnte der Präsident.

Währungsverlust

Gegenstand der Prüfung ist Armeniens Elektrizitätsgesellschaft, die die Preiserhöhung mit dem starken Wertverlust der Landeswährung Dram begründete. Die Gesellschaft gehört dem in Moskau ansässigen halbstaatlichen Konzern Inter RAO, der einem engen Vertrauten des russischen Präsidenten Wladimir Putin untersteht.

Seit gut einer Woche demonstrieren tausende Menschen in der Südkaukasus-Republik, die durch die Wirtschaftskrise in Russland schwer getroffen wurde, gegen die 16-prozentige Anhebung des Elektrizitätspreises. Demonstranten wiesen Sarksyans Ankündigung am Samstagabend als unzureichend zurück und forderten die vollständige Rücknahme der Erhöhung.

"Nein zur Räuberei"

"Wir werden gewinnen!", riefen die rund 10.000 Menschen, die sich in Eriwan nahe dem Präsidentenpalast versammelten. Veranstalter der Kundgebung war die parteilose Gruppierung "Nein zur Räuberei". "Unsere Forderung bleibt dieselbe: Die Entscheidung zur Erhöhung des Strompreises muss revidiert werden", rief der Aktivist Baginak Shushanyan der jubelnden Menge zu.

Beim Kurznachrichtendienst Twitter bekundeten zudem einige Demonstranten offen ihre Sympathie für die Proteste auf dem Maidan-Platz in Kiew, die vor mehr als einem Jahr zum Sturz des damaligen Präsidenten Viktor Janukowitsch führten. Babken DerGrigorian wandte sich mit "heißer Liebe und Respekt für #Maidan" an die "ukrainischen Verbündeten". Er rief die Ukrainer auf, mit Armenien die "Vision eines besseren Morgen" zu teilen. Allerdings betonten die Aktivisten ebenso wie der Präsident, dass die Proteste nicht gegen Russland gerichtet seien.

Die Proteste hatten sich ausgeweitet, nachdem die Polizei am Dienstag mit Wasserwerfern gegen Demonstranten vorgegangen war. Es sind die seit Jahren größten Demonstrationen in der gut drei Millionen Einwohner zählenden ehemaligen Sowjetrepublik. Die EU, die USA und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) äußerten sich besorgt über das gewaltsame Vorgehen gegen die Demonstranten.

Armenien bezieht einen Großteil seiner Energie aus Russland, das auch sein wichtigster Handelspartner ist. Die Wirtschaftskrise in dem großen Nachbarstaat, die durch die westlichen Sanktionen und die niedrigen Ölpreise ausgelöst wurde, hat auch die armenische Volkswirtschaft schwer getroffen. Im Jänner war Eriwan zudem der von Russland geführten Eurasischen Wirtschaftsunion beigetreten. (APA, 28.6.2015)