Wien – Oberkörper, Gesicht und Arme sind mit grüner Körperfarbe bemalt. Aus dem grünen Rucksack schaut ein großer Bund kürzlich von einer Hecke heruntergeschnittener Zweige heraus. In dieser Montur, verkleidet als Bäume, spazierten zehn Grünen-Bezirkspolitiker der Inneren Stadt am Dienstag von der Seilerstätte in Richtung Schwarzenbergstraße in Wien, um ihrer Forderung nach mehr Bäumen, Alleen, Sträuchern oder begrünten Fassaden im ersten Bezirk Ausdruck zu verleihen.

derstandard.at/von usslar

Städtische Wärmeinseln

Der Grünraum sei in der Wiener City nämlich ungleichmäßig verteilt. Viel Baumbestand und grüne Flächen gebe es nur in der Ringstraßenzone, nicht aber in jenen Vierteln, in denen die meisten Leute wohnen. Und die würden deshalb unter dem Phänomen der "Urban Heat Island" leiden, also der Erhitzung von asphaltierten und betonierten Flächen, die dann auch nachts Wärme abgeben, sodass sich die Luft nicht abkühlen kann.

Dieses Problem wird sich in Städten künftig verschärfen, heißt es etwa im österreichischen Sachstandsbericht zum Klimawandel. Die Anzahl der Hitzetage – Tagen mit Temperaturen über 30 Grad Celsius – stieg demnach von zwei im Jahr 1910 auf 17 im Jahr 2000. Studien – etwa von der Universität für Bodenkultur – zeigen, dass Grünflächen und Pflanzen das Mikroklima im urbanen Raum regulieren und dem Wärmeinsel-Effekt entgegenwirken können.

Gesamtkonzept statt "kosmetischer Aktionen"

Der Wiener erste Bezirk sei einer der europäischen Stadtkerne mit dem größten Grünflächenanteil, beruhigt eine Sprecherin von Bezirksvorsteherin Ursula Stenzel (ÖVP). Wo Begrünung möglich ist, werde begrünt, sagt sie zum STANDARD. Den Spaziergang der grünen Bezirksfraktion in Baumverkleidung bezeichnet sie als "netten Aktionismus" und "Wahlkampfmethode".

Die Bezirksvorsteherin sehe "kleine kosmetische Aktionen" – wie das Pflanzen einzelner Bäume – als "nicht zielführend" und halte an ihrer Forderung eines Gesamtkonzepts für die Wiener City fest. Stenzel verkündete im Februar dieses Jahres, den ganzen ersten Bezirk zu einer Begegnungszone umgestalten zu wollen.

Grüner als der neunte Bezirk

Der erste Bezirk liegt mit einem Grünflächenanteil von 9,5 Prozent deutlich über anderen inneren Bezirken, wie etwa der Wien-weit mit 1,9 Prozent am wenigsten grünen Josefstadt. Der neunte Bezirk – von der Fläche her ungefähr genauso groß wie der erste – hat einen Grünflächenanteil von 7,4 Prozent. Die Stadt zählt laut Baumkataster rund 4.000 Bäume in der Wiener City. Kfz-Stellplätze gibt es rund 10.000. (Christa Minkin, 30.6.2015)