Wenn der Sager nicht so parteipolitisch kontaminiert wäre, dann wäre dies der Zeitpunkt für ein "Es reicht!". Es reicht, wie sich die Landeshauptleute in diesem Land – manchmal als Kollektiv, manchmal die üblichen Verdächtigen – aufführen. Es reicht, wie sie politische Egomanie und Verantwortungslosigkeit zur obersten Maxime ihres Tuns erhoben haben. Es reicht, wie sie das Land, berauscht von ihrer Gier nach Macht, als Verschubmasse missbrauchen und Politik zu einem Spiel degradieren.

Die jüngste Aktion des niederösterreichischen Landeshauptmanns Erwin Pröll (ÖVP) und seines burgenländischen Amtskollegen Hans Niessl (SPÖ) fügt sich da nahtlos ein. Beide haben mit Triumphpose die Schulreformkommission verlassen.

Na und? Kein Drama.

Wenn Pröll meint, "es gibt kein Indiz für ernsthafte Bemühungen", dann darf man schon fragen, wem dieser Vorwurf eigentlich gilt? Wie ernsthaft waren die Absichten der abgesprungenen Länderchefs, wenn sie nach nur zwei Verhandlungsrunden – für das Lehrerdienstrecht brauchte man drei Dutzend – befinden, das wird nix mehr? Zumindest nichts, das ihnen genehm wäre, oder wie Niessl sagte, da kann er "inhaltlich nicht mehr mit".

Muss er ja auch nicht.

Das Kalkül der Landespotentaten ist durchsichtig: Ohne uns sind sie nichts. Wenn wir gehen, geht nichts mehr in Sachen Schulreform. Sie wollen verhindern, sie wollen blockieren, sie wollen, dass lieber nichts reformiert wird, als dass etwas kommt, das ihren Wünschen zuwiderläuft. Und die haben sie ganz offen artikuliert: Wir wollen die Schule haben. Wir wollen alle Lehrerinnen und Lehrer in Länderhand alias "Verländerung". Oder: Das Böse heißt "Zentralismus". Alles soll uns gehören.

Das aber wäre ein Programm zur Enteignung der Republik und stößt zu Recht auf Widerstand, denn das Schulsystem ist bitte noch immer und unbedingt von gesamtstaatlicher Relevanz und darf um keinen Preis in neun Schulsysteme mit neun regionalen Machthabern zerschreddert werden.

Was das Schulsystem braucht, ist ein für alle verbindlicher bildungspolitischer Qualitätsrahmen des Bundes, ein rigide kontrolliertes Finanzierungsmodell, denn zahlen darf ja in jedem Fall der Bund, und starke, autonome Schulen mit hoher Eigenverantwortlichkeit für Budget, Personal und Organisation. Das würde übrigens auch ein anderes Selbstverständnis des Bildungsministeriums bedeuten.

Auch von dort kamen zum Pröll-Niessl-Abgang etwas erratische Wortmeldungen. Wenn Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) meint, die Bildungsreform sei "weiterhin auf Kurs", dann darf man sich auch darüber wundern. Auf Kurs ist da schon lange nichts. Das haben SPÖ und ÖVP – seit vielen Jahren ideologisch ineinander verkeilt – nämlich systematisch verbockt. Dementsprechend leicht ist es für die Länder, ihre Begehrlichkeiten durchzusetzen.

Platzt nun also die Schulreform, weil Pröll und Niessl raus sind? Nein. Aber es ist ein entscheidender Punkt, an dem sich das Selbstverständnis dieser Regierung offenbaren wird: Es ist an ihr, endlich zu zeigen, dass sie handlungsfähig ist – eine Herkulesaufgabe angesichts des zerrütteten Koalitionsverhältnisses. Es geht nämlich um mehr als "nur" eine Schulreform. Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner müssen zeigen, ob sie können, was ihr Job wäre: regieren und reformieren. (Lisa Nimmervoll, 3.7.2015)