Tunis – Tunesiens Präsident Béji Caïd Essebsi fand alarmierende Worte: Sein Land befinde sich in einer "besonderen Art des Krieges", sagte er am Samstagabend in einer TV-Ansprache. Sollte es weitere Terroranschläge wie jenen geben, bei dem vor rund einer Woche 38 Touristen am Strand der Stadt Sousse getötet worden waren, drohe der gesamte Staat zu zerbrechen. Daher sei es nötig, für 30 Tage den Ausnahmezustand im gesamten Land auszurufen.

Essebsis Entscheidung ist ein gravierender Schritt für das Land, das gemeinhin als demokratische Erfolgsgeschichte des Arabischen Frühlings gilt. Erst im März 2014 war ein über drei Jahre währender Ausnahmezustand aufgehoben worden. Er hatte seit den Protesten gegolten, die 2011 zum Sturz von Langzeitherrscher Zine el-Abidine Ben Ali führten.

Zwar bemühte sich Essebsi in seiner Ansprache, Sorgen zu zerstreuen, dass der Staat nun zur dauerhaften Einschränkung bürgerlicher Freiheiten zurückkehren werde. Die "teuer erkämpfte" Meinungsfreiheit werde nicht eingeschränkt, versicherte er.

Dennoch ist klar, dass mit der Entscheidung zumindest vorübergehend deutliche Einschränkungen der Bürgerrechte einhergehen. Polizei und Sicherheitskräfte bekommen weitreichende Befugnisse, auch die Versammlungsfreiheit wird eingeschränkt.

"Alle nötigen Maßnahmen"

Die Presse solle sich zurückhalten, sagte Essebsi, und nicht dazu beitragen, "eine Situation zu schaffen, die den Plagen hilft, die wir bekämpfen". Zumindest theoretisch hat die Regierung nun das Recht, auch selbst einzugreifen. Laut Bestimmungen kann sie etwa "alle nötigen Maßnahmen zur Kontrolle der Medien" treffen.

Der Ausnahmezustand gilt vorerst für 30 Tage. Bei einer Verlängerung kann der Parlamentspräsident gemeinsam mit mindestens 30 Parlamentariern beim Verfassungsgericht Protest einlegen. In der Praxis steht diesem Vorgehen die Tatsache im Weg, dass es in Tunesien derzeit kein Verfassungsgericht gibt – es soll erst im Lauf des Jahres aufgebaut werden.

Kritiker sind zudem besorgt, weil Essebsi in seiner Rede auch auf Streiks und "nachdrückliche Forderungen", etwa von Arbeitervertretern, Bezug nahm. Beides gelte es nun zu verhindern: "Wir können nicht so weitermachen, das ist ziviler Ungehorsam."

Die Regierung war wegen der langsamen Reaktion auf das Attentat in Sousse in Kritik geraten. Erst nach 30 Minuten waren Polizisten vor Ort. Premier Habib Essid hatte am Freitag eingeräumt, dass es "Fehler" gegeben habe. Daher habe er den Gouverneur der Region Sousse und mehrere hohe Beamte entlassen. (mesc, red, 5.7.2015)