Tropfen für Tropfen rinnt das eiskalte Wasser durch die kleine Öffnung, um direkt auf die frischgemahlene Kaffeebohne zu treffen. In Verbindung mit dem Wasser tropft es später als sehr aromatisches und tiefschwarzes Konzentrat langsam in die Glaskanne. Was ein bisschen an das Chemielabor aus Schultagen erinnert, ist ein Cold Dripper. Der Kaltextraktor aus dünnem Glas gehört zur Grundausstattung jedes Barista, der etwas auf sich hält und seinen Kunden neben klassischem Espresso auch die kalte Version des Filterkaffees anbieten will.

Cold-Drip- oder Cold-Brew-Coffee liegt schwer im Trend und eröffnet eine neue Möglichkeit des Kaffeetrinkens. In den USA hat man bereits vor Jahren den Trend des kalt extrahierten Kaffees entdeckt, so hat die Kaffeehauskette Starbucks den kalten Kaffee ins Sortiment aufgenommen und verkauft den Cold-Brew-Coffee auch in ausgewählten Filialen in Österreich.

Geduldsfrage

Für den kalt angesetzten Kaffee muss man schon eine gute Portion Geduld mitbringen, muss er doch zwölf Stunden in kaltem Wasser verweilen, bis er vorsichtig durch einen feinen Filter gegossen wird. Vielleicht wird er deshalb auch Slow Coffee genannt. Einfacher geht das übrigens mit der klassischen French Press. Diese stellt man in den Kühlschrank und drückt das Kaffeepulver am nächsten Tag langsam mit dem integrierten Sieb nach unten, um den kalten Kaffee später über Eiswürfel zu leeren und ihn kalt zu genießen.

Sechs bis sieben Stunden tropft der Kaffee in die Kanne des Cold Dripper. In Flaschen abgefüllt, hält er sich ein paar Tage im Kühlschrank.
Foto: Rauwolf

Das richtige Dosierungsverhältnis ist hier entscheidend, weiß Autorin und Kaffeeexpertin Johanna Wechselberger. Die Gründerin der Vienna School of Coffee empfiehlt ein Mischverhältnis von 60 Gramm frischgemahlenem Kaffee auf einen Liter Wasser. Der zweite wichtige Faktor ist die Zeit. "Man kann mit kaltem Wasser sehr viel aus dem Kaffee rausholen. Man muss ihm nur die nötige Zeit geben", sagt Wechselberger. "Und nicht jeder Kaffee eignet sich zur Kaltextraktion. Perfekt sind Kaffeearten, die nicht zu stark geröstet sind. Hellere Filterröstungen passen hier sehr gut. Welche Sorten man verwendet, ist Geschmackssache. Ich bin ein Fan von Mischungen, bei denen man noch die Frucht und somit die Herkunft des Kaffees schmeckt." Auch der Mahlgrad spielt eine wesentliche Rolle. Gröbere Mahlungen eignen sich laut der Expertin besser als feine. Vielleicht muss man sich hier auch an neue und ungewöhnliche Sorten herantrauen, die im ersten Moment so gar nicht nach typischem Kaffee schmecken, wie die Bohnen aus Yirgacheffe in Äthiopien, die für ihr ausgeprägt würziges Aroma bekannt sind.

Und was unterscheidet den kalt extrahierten Kaffee – abgesehen von der Temperatur – jetzt vom stinknormalen Filterkaffee? Wechselberger erklärt, dass hier viel weniger Bitterstoffe freigesetzt werden. "Man hat erst das Gefühl, dass der Kaffee sehr leicht ist. Doch spätestens wenn der kalte Kaffee die Körpertemperatur im Mund annimmt, breitet sich der aromatische Kaffeegeschmack aus und hat einen schönen langen Abgang." Die Intensität ist trotz der offensichtlich leichten Flüssigkeitskonsistenz sehr hoch – ähnlich einem starken Tee. Und spätestens wenn man zum ersten Mal einen Cold-Brew-Coffee trinkt, wird man überrascht sein, welche Geschmacksnoten Kaffee haben kann. Eine regelrechte Aromabombe macht sich auf Zunge und Gaumen breit, wenn sich die herrlichen Fruchtnoten entfalten.

Tropfen zählen

Wer nicht ganz so lange warten möchte und dem Kaffee gern beim Tropfen zuschaut, der legt sich einen Kaltextraktor zu. Im Unterschied zum Cold-Brew-Coffee dauert die Cold-Drip-Variante nicht ganz so lange. Mit sechs bis sieben Stunden Zubereitungszeit könnte man ihn schon fast als flotten Coffee to go bezeichnen.

Foto: Rauwolf

"Mit dem Cold Dripper erhält man ein besseres Ergebnis, und das Ding sieht auch richtig cool aus", ist Barista Michael Parzefall überzeugt. In seinem Rösthaus Rauwolf bietet er neben der kalt angesetzten Kaffeevariante in Flaschen auch die Tropfversion an. Begeistert erzählt der Kaffee-Freak von einer völlig neuen Geschmackswelt, die sich hier auftut. "Den Cold Drip trinkt man am besten pur. Natürlich kann man ihn auch mit Milch und Zucker oder als Cocktail mit Tonic und Zitrone trinken. Der Trend geht aber auch beim Kaffee hin zu natürlichen Zutaten. Industriell gefertigte Geschmacksverstärker verfälschen den Geschmack. Der Kaffee soll im Vordergrund stehen und der Geschmack nicht – beispielsweise durch künstliche Sirupe – überdeckt werden", so Parzefall. Durch die Natürlichkeit hält sich der kalt extrahierte Kaffee auch nicht ewig im Kühlschrank und sollte nach ein paar Tagen verbraucht werden.

Der Cold Dripper macht sich auch gut in der privaten Küche, wenn er nicht elendiglich als Staubfänger neben anderen Küchengeräten verendet. In Johanna Wechselbergers School of Coffee bekommt man das Teil aus Glas um stolze 250 Euro. Dafür spart man sich aber die Stromkosten. Ob der Cold-Drip- oder Cold-Brew-Coffee den klassischen Eiskaffee mit Schlagobers und Dekorhippen vom süßen Kaltgetränkethron stoßen wird? Überzeugungsarbeit ist gefragt. (Alex Stranig, Rondo, 27.7.2015)