Wien – Die Blumenbeete am unteren Ende der Wiener Mariahilfer Straße wurden am Donnerstag noch schnell bepflanzt, die letzten Laternen bekamen einen neuen Anstrich. Das abgenutzte Blau musste einem frischen Weiß weichen. Am Freitag wurde der Schlussstein verlegt und die Fußgänger- und Begegnungszone offiziell eröffnet. "Es war das aufwendigste und am meisten diskutierte Projekt der letzten Jahre", sagt Wiens Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne). "Aber es war der Mühe wert." Kein Wunder, immerhin war es ja ihr Prestigeprojekt.

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Kunden und Geschäftsleute sehen das differenzierter, wie ein STANDARD-Lokalaugenschein zeigt: Dem Publikum bringe jede Fußgängerzone etwas, meint die Inhaberin eines Elektronikgeschäftes an der Ecke zur Kirchengasse: "Man hat die Freiheit, spazieren zu gehen und nicht so auf Kinder aufpassen zu müssen." Lediglich bei den Fahrradfahrern müsse man noch aufpassen.

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Der Schlussstein wurde per Vakuumsauger verlegt, wenn auch erst im zweiten Anlauf. Beim ersten Versuch fehlte es noch an Haftung, der Stein fiel und brach.
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Allerdings seien für ihr Geschäft durch den Umbau "verschiedene Schwierigkeiten" aufgetreten: "Das Zukommen zu unserem Geschäft ist etwas komplizierter geworden." Darüber klagen auch Lieferanten. Doch Maria Vassilakou weist darauf hin, dass die Lieferzeiten extra bis 13 Uhr ausgedehnt worden seien. In der Kärntner Straße, Wiens zweiter großer Fußgängerzone, ist das etwa nur bis elf Uhr möglich.

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Rainer Trefelik, Obmann der Sparte Handel der Wirtschaftskammer Wien, fordert aber weitere Nachbesserungen. "Das neue Einbahnsystem rund um die Mariahilfer Straßen und die wenigen Querungen sind für den Handel eine Zumutung." Haltemöglichkeiten für Zulieferer, aber auch Parkplätze für Kunden seien enorm wichtig. "Nur auf Kunden zu setzen, die mit der U-Bahn kommen, ist ein Fehler", warnt Trefelik. Was ihn am meisten wurmt, ist, dass der Handel in der ganzen Entstehungsgeschichte vernachlässigt worden sei: "Selbst von der Eröffnungsfeier haben wir nur aus den Medien erfahren."

Schanigärten ziehen Gäste an

Gewinner unter den Geschäftsleuten auf der "Mahü" (abgeleitet von der Kirche zu Maria Hülf) sind vor allem die Gastronomie und Hotels. "Ohne dass wir unser Gebäude um einen Millimeter verschoben haben, sind wir ins Zentrum gerückt", heißt es an der Rezeption im Hotel Kummer. Das Gästehaus hat dort, wo früher die Straße war, einen kleinen Schanigarten aufgebaut. "Die Gäste schätzen die verkehrslose Zone sehr. Aber auch das lokale Publikum nutzt den Schanigarten."

Foto: Maria Von Usslar

Man hoffe nur, dass die Mariahilfer keine zweite Kärntner Straße werde. "Dass die Straße für Wiener nicht mehr interessant ist und eine internationale Boutique neben der nächsten liegt. Man will ja auch nicht jeden Tag zu Cartier einkaufen gehen."

Vassilakou teilt diese Befürchtung nicht. Es gebe einen "guten Mix an kleinteiligen und großen Geschäften", dadurch bleibe die Flaniermeile für lokale Kunden interessant.

Einbahnkonzept umstritten

Ein Ende der Diskussionen ist aber auch nach dem großen Eröffnungsfest am kommenden Wochenende nicht absehbar. Im Zuge der Verkehrsberuhigung rund um die Mahü wird das Einbahnkonzept vermutlich noch einmal "angepasst". Umstritten sind auch noch die vom Handel geforderten zusätzlichen Querungen.

Eine "schöne Vision" wäre für Vassilakou, wenn jeder Bezirk sein eigenes verkehrsberuhigtes Zentrum bekäme. Als Nächstes könnte sie sich Projekte in der Herrengasse, in der Währinger Straße sowie beim Rochusmarkt und beim Karmelitermarkt vorstellen. (Video: Maria von Usslar, Text: Oona Kroisleitner, Michael Simoner, 31.7.2015)