Valentinas Schulfreunde spielen Fußball, sie macht Männersport.

Foto: Felix Oesterle

Vali Höll auf dem Trail zum WM-Titel. In 3:35,15 Minuten schlug sie die US-Amerikanerin Anna Newkirk (3:37,03) knapp und die Britin Ottilia Johansson Jones (4:06,89) klar.

Foto: Felix Oesterle

Salzburg – Mit zwei Beinen auf dem Boden zu stehen hat Valentina noch nie interessiert. Noch bevor sie gehen konnte, saß sie auf dem Laufrad, auf dem Bobby-Car, auf "allem, was Räder hat", sagt ihr Vater Walter Höll. Mit drei Jahren bekam sie ihr erstes Fahrrad, für zwanzig Minuten fuhr sie mit Stützrädern, dann mussten diese abmontiert werden – auf ihren Wunsch hin, so erzählt es der Papa und muss sich sehr bemühen, dabei nicht zu stolz zu wirken.

Heute ist Valentina Höll 13 Jahre alt und eine der vielversprechendsten heimischen Nachwuchssportlerinnen. Sie hat langes aschblondes Haar, ein kindliches Gesicht und neun internationale Sponsoren. Die Salzburgerin ist die jüngste Bikerin, die jemals von einem Radhersteller unter Vertrag genommen wurde. Vor wenigen Tagen kürte sie sich in der Klasse der unter 15-jährigen Mädchen bei der iXS International Rookies Championship in Serfaus-Fiss-Ladis in Tirol zur Weltmeisterin.

Valentina Höll: Little Miss Downhill im Dirt Magazin.
Dirt Magazin DE

Warum das Mädchen nicht in aller Munde ist? Sie betreibt eine Sportart, von der viele Österreicher wohl gar nicht wissen, dass es sie gibt: Gravity-Biking. Valentina fährt Downhill – und dabei regelmäßig älteren Buben und erwachsenen Frauen um die Ohren. Im Vorjahr war sie bei einem Bewerb im deutschen Winterberg um 38 Sekunden schneller als die Gewinnerin der Erwachsenenklasse im Ziel.

Downhillen ist ein vermeintlicher Männersport. Man sitzt nicht auf dem Rad, sondern steht auf den Pedalen eines vollgefederten Bikes und rast über ruppiges Gelände schnellstmöglich den Berg hinunter. Über Stock und Stein, Wurzeln und Sprungschanzen – das ist freilich nicht ungefährlich. "Einfach geil", so beschreibt Valentina ihre Paradedisziplin.

Ihre Trikots sind hinten mit ihrem Namen beflockt. Statt Punkten hat das "ö" zwei Teufelshörnchen. Valentina ist ein Wildfang. "Aber sehr kontrolliert in dem, was sie tut", sagt ihre Mentorin und Firmpatin, die Profibikerin Angelika Hohenwarter. Andere Mädchen bekommen zur Firmung eine Perlenkette, Valentina fuhr mit Hohenwarter in den kanadischen Bikepark in Whist- ler – ins Mekka aller Mountainbiker.

Training und Wurzelrechnen

Zum Radsport fand Valentina über ihre Eltern. "Die waren aber früher eher so Spandexhosen-Träger", sagt sie und grinst. Sie meint damit, dass Mama und Papa lieber bergauf fuhren als hinunterdonnerten. Der deutsche Radhersteller YT Industries (man baue "coole Bikes für Young Talents (YT)", heißt es auf der Firmenwebseite) hat Valentinas Begabung früh erkannt. Als sie zwölf Jahre alt war, verpflichtete das Unternehmen sie bis zu ihrem 18. Geburtstag. In der Szene sorgte das auch für Kritik. Dass einem jungen Talent so früh schon die Freiheit genommen werde, monierten einige. Anders können sich die meisten Eltern diesen Sport aber nicht leisten, muss man entgegenhalten.

"An einem Rennwochenende ist man mit allen Nebengeräuschen, wie Fahrtkosten und Verpflegung, gleich einmal 500 Euro los", sagt Walter Höll. Professionelle Downhillräder kosten 6000 Euro oder mehr – und werden ständig kaputt. "Um privat eine Rennsaison zu beschreiten, muss man schon zwischen 15.000 und 20.000 Euro einrechnen", weiß Hohenwarter. "Vali ist ein Ausnahmetalent, es ist wichtig, dass sie auch das beste Material zur Verfügung hat."

Valentina bereitet das alles noch keine Sorgen. Hauptberuflich ist sie derzeit Schülerin. Vom Downhillsport leben können weltweit momentan bestenfalls die zehn erfolgreichsten Fahrerinnen. Das hält Valentina aber nicht auf: "Nächstes Jahr will ich viele Rennen im Ausland fahren. Hoffentlich verstehen bald auch die Lehrer, dass Training wichtiger ist als Wurzelrechnungen."

Sie geht aufs Sportgymnasium, aber selbst ihre Mitschüler hielten sie für "etwas wahnsinnig", meint sie. "Die spielen Fußball, Volleyball oder gehen Langlaufen – so langweiliges Zeug halt", sagt Valentina und streicht sich lässig eine Haarsträhne aus dem Gesicht. "Sobald ich 16 Jahre alt bin, darf ich beim Weltcup der Erwachsenen mitfahren. Wenn ich es nicht zur professionellen Fahrerin schaffe, werde ich eben Bike-Events organisieren." (Katharina Mittelstaedt, 14.8.2015)