Klassiker mit Upgrades

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Upside-Down-Gabel statt Telelever

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Wasser und Luft zum Leben

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Das Display: Spannende Reiselektüre

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Endlich keine Schlüsselfummelei mehr

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Für alles ein Knopferl

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Gibt's das Heck auch in schön?

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Nicht zu sehen, aber zufrieden: Die Sozia

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Jetzt also auch hier: Der klassische luftgekühlte BMW-Boxer ist auch bei der R 1200 R dem teils luft-, teils flüssigkeitsgekühlten Motor gewichen. Der Murl ist jetzt also jenes DOHC-Triebwerk, das bereits in der R 1200 GS, R 1200 GS Adventure, R 1200 RT und in der R 1200 RS zum Einsatz kommt. Der erste optische Eindruck, eh ok, bloß der große schwarze Radiator hängt da jetzt zusätzlich am Rahmen, wo früher die Telelever-Aufhängung angeflanscht war, von manchen geliebt, von manchen gehasst. Sie musste einer "normalen" Upside-down-Gabel weichen.

Als der neue Motor eingeführt wurde, gab's einen Aufschrei der Empörung bei den Puristen, denn eine Bayerische hatte luftgekühlt zu sein, himmesakra no amoi! In der Praxis macht sich der Motor aber natürlich nicht durch Stil- oder gar Lustlosigkeit bemerkbar, gar nicht. Und dass die Schienbeine jetzt nicht mehr so arg gegrillt werden, ist auch auf der Positivseite zu verbuchen.

Alles sehr, sehr easy

Die Leistung von 92 kW (bzw. 125 PS) bei 7750 Touren und einem maximalen Drehmoment von 125 Nm (bei 6500 Touren) ist Klassenstandard. Die BMW lässt sich sehr, sehr easy fahren, viel agiler als man beim ersten Draufsteigen vermuten würde. Wenn aber am Gas gezupft wird, macht das Motorrad einen bösen, ordentlichen Hupfer nach vorne. Ist aber alles beherrschbar, solange man über ein Mindestmaß an Grobmotorik in der Gashand verfügt.

Dennoch schadet es sicher nicht, sich die diversen Mappings anzuschauen. Serienmäßig gibt es "Rain" und "Road", wobei ersteres schon merklich weniger Power ans Hinterrad lässt. Zum Einüben halt. "Road" hingegen ist ein Universalmapping, mit dem man wohl in 99% der Fälle richtig liegt. ABS und ASC (Stabilitätskontrolle beim Beschleunigen) sind auch dazugepackt.

Viele, viele Goodies

Optional gibt's die weiteren Fahrmodi "Dynamic" und "User" für noch engagierteres Vorwärtskommen sowie auch die Dynamische Traktionskontrolle DTC mit Schräglagenerkennung. Letztere ist allerdings bei mir selbst auch eingebaut, muss aber beizeiten nachkalibriert werden: Gewagte gefühlte 45 Grad sind objektiv wohl eher 25 Stricherl am Geodreieck, wenn man am Foto nachmisst.

Es wäre ja keine BMW, wenn das schon alle Gimmicks wären. Aufpreispflichtig gibt's das elektronische Fahrwerk namens Dynamic ESA (Electronic Suspension Adjustment) mit den Settings "Road" und "Dynamic". Wer – wie der Tester – schon den Road-Modus nicht ausreizt, wird sich den Dynamik-Modus wohl eher nur am Ring antun.

Sehr, sehr stabil

A propos Fahrwerk. Die goldene Upside-down-Telegabel vorn und das EVO-Paralever-Sytem hinten sorgen dafür, dass man kaum von der Unbill schlechter Straßen etwas mitbekommt. Egal ob Schwerverkehr-Längsrillen, aufgefräste Autobahnbaustellen, Kopfsteinpflaster oder Straßenbahnschienen: Die BMW bügelt dort satt drüber, als ob's ein Teppich wäre. Und das quittiert auch die Sozia hocherfreut: "Das ist wie auf einer Sänfte, da gibt's kein Eigenrumpeldings." Präziser kann's nicht formuliert werden.

Kommod ist es tatsächlich, mit der R 1200 R unterwegs zu sein, zumindest im legalen Bereich. Und eigentlich spricht nichts dagegen, sich dieses Motorrad auch als Reiseutensil zuzulegen. Sitzposition und Komfort vorne und hinten sind mehr als ok, Gepäckmöglichkeiten gibt's sonder Zahl, die sattsam bekannte GS hat da kaum mehr anzubieten – außer vielleicht ein bissl mehr Schutz vor Fahrtwind. Da Motorradfahren aber angeblich eh ein Freiluftsport ist, da kann ein bissl Wind gar nicht schaden.

Knopferlparade

Autobahntauglich – ja, für Verbindungsetappen ist dieser Fortbewegungsmodus manchmal nicht vermeidbar – ist die R 1200 R allemal: Da hilft auch der Tempomat von BMW sehr, der wohl zu den besten Systemen am Markt gehört. Bedienung: Deppensicher und blind zu schaffen. Und für die Feinjustierung der Geschwindigkeit (man will ja weder in den LKW reinrauschen noch dessen Windschatten verlieren) tippt man kurz am Hebel... schneller, langsamer, ja, genau so, nein doch ein bissi schneller, ja passt! Und endlich hat man auch die rechte Faust frei, um diesem Idioten zu drohen, der dich soeben beim Rausbeschleunigen auf die Autobahn übersehen hat.

Weiter geht die Knopferl-Drückerei... Wie in einem vierrädrigen BMW lässt man den Schlüssel einfach in der Hosentasche und betätigt den schwarzen Knopf am Cockpit. Surr-klack... Lenkersperre aufgehoben. Nochmal Knopf gedrückt. Summm summm... Zündung ein. Jetzt den roten Start/Stop-Knopf am rechten Griff getippt und schon brodelt der Boxer. Abstellen geht genau umgekehrt. Das Geräusch der Lenkersperre erinnert an den Schlachtschussapparat von Anton Chigurh alias Javier Bardem in "No Country for Old Men".

Parallelen zur Autowelt

Die Parallelen und der Ideenklau aus der Autowelt kommen wahrscheinlich nicht von ungefähr. Die R 1200 R lässt sich auch von Novizen, die vom Auto kommen und keinen Roller fahren wollen, schon nach kurzer Zeit problemlos fahren. Gas, Bremse, Kupplung, Schaltung: Geht alles easy, flutscht, dass es eine Freude ist. Das Display bietet eine Vielzahl an Informationen, die der Hardcorebiker wohl nicht braucht, die aber dennoch nette Gimmicks sind: Reifendruckanzeige, Temperaturen außerhalb des Helms und innerhalb des Motors, Lichtautomatik... nur ein paar Beispiele für eine kurzweilige Reiselektüre im Tempomat-Modus.

Einzig wirklich befremdliches Service in der Displaylandschaft ist die Schaltempfehlung, wie wir sie von sparsamen Autos kennen. Dreht man den Motor hoch (hey, darum geht's ja beim Motorradfahren!), erscheint schnell ein Pfeil, der suggeriert, bittschön im Sinne der Wirtschaftlichkeit und des Umweltschutzes weiter rauf zu schalten. Ja ok, schon gut. Ich mach's ja. Später. (Gianluca Wallisch, 20.08.2015)


Technische Daten (Auszug)

Motor: Luft-/Flüssigkeitsgekühlter Zweizylinder-Viertakt-Boxermotor mit zwei obenliegenden, stirnradgetriebenen Nockenwellen und einer Ausgleichswelle.
Hubraum: 1.170 ccm
Nennleistung 92 kW (125 PS) bei 7.750 U/min
Max. Drehmoment 125 Nm bei 6.500 U/min
Kupplung Nasskupplung mit Anti-Hopping-Funktion, hydraulisch betätigt
Sekundärantrieb: Kardan
Sitzhöhe: 790 mm (alternativ 760 / 820 mm)
Tankvolumen: 18 l, davon ca. 4 l Reserve
Leergewicht: 231 kg, fahrfertig, vollgetankt
Zuladung: 219 kg, (bei Serienausstattung)
Serienausstattung: ABS (teil-integral), 2 Fahrmodi Rain und Road, Traktionskontrolle, ASC (Automatic Stability Control), TFT-Display mit Bordcomputer
Optionals ab Werk (Auswahl):
Komfort-Paket: Auspuff verchromt, Heizgriffe, RDC
Touring-Paket: Dynamic ESA, Temporegelung, Navi-Vorbereitung, Bordcomputer Pro, Kofferhalter, Gepäckbrücke, Hauptständer
Dynamic-Paket: Fahrmodi Pro inkl. DTC, Dynamic & User, Windschild Sport, LED-Blinker, Tagfahrlicht
Sonderzubehör: Koffer und Topcase, Windschild Sport getönt, gefräste verstellbare Fahrer-Fussrastenanlage mit Brems- und Schalthebel, gefräste Handhebel, Zusatzscheinwerfer, Motorspoiler, Fahrersitz hoch, niedrig oder Sport

Grundpreis: 15.400 Euro / Preis des getesteten Motorrades: 19.438 Euro inkl. u.a. Keyless Ride, Schaltassistent Pro, Komfort-Paket, Touring-Paket, Dynamic-Paket 2, Style-Paket 1

Link zum Hersteller und den Ausstattungsvarianten

Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Die Teilnahme an internationalen Fahrzeug- und Technikpräsentationen erfolgt großteils auf Basis von Einladungen seitens der Automobilimporteure oder Hersteller. Diese stellen auch die hier zur Besprechung kommenden Testfahrzeuge zur Verfügung.