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Im "Camp Grounded" wird mobilen Geräten der Kampf angesagt: Hier treffen sich Tech-Entrepreneure und Geschäftsleute jedes Alters, um sich vom digitalen Hintergrundlärm zu erholen.

Foto: Reuters/ELIJAH NOUVELAGE

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Statt E-Mails-Checken stehen bei den Teilnehmern und Teilnehmerinnen Singen und Tanzen auf dem Abendprogramm.

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Ausgerechnet im technikverliebten Silicon Valley ist Analog das neue Digital, und den mobilen Geräten wird der Kampf angesagt – in Digital-Detox-Camps: Hier treffen sich Tech-Entrepreneure und Geschäftsleute jedes Alters, die nur eines wollen: ein paar Tage ohne den digitalen Hintergrundlärm.

Das Camp Grounded ist eines der bekanntesten Digital-Detox-Camps – ein Ferienlager für Erwachsene, wie es auf der Homepage heißt. In der Begrüßungszeremonie werden den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ihre digitalen Geräte von als Roboter Verkleideten abgenommen, manche machen noch ein letztes Selfie, schreiben schnell die Abwesenheitsnotiz.

Lagerfeuer statt Handys

Nicht nur das Smartphone bleibt eingesperrt, auch die eigene Identität lässt man in einer kleinen Schachtel am Eingangstor – die Teilnehmer kennen sich nur über Spitznamen, die man selbst aussuchen kann.

Auf einem Schild im Eingangsbereich steht "No digital devices", daneben gleich "No networking". Die Menschen sollen hier wieder "wahren Austausch" erleben, wie es weiters auf der Homepage heißt, und natürlich zu sich selbst finden. Es gibt Lagerfeuer, Spiele, es wird gesungen und getanzt, und die Teilnehmer ziehen mit bemalten Gesichtern durch die kalifornischen Wälder. "Für die nächsten Tage gibt es nur uns und die Bäume", steht auf einem weiteren handbemalten Schild, das im Camp aufgehängt wurde.

"Es war schön, einfach frei zu sein", sagt eine Teilnehmerin im Werbevideo. Vielen mag das Camp eine Spur zu hippiesk erscheinen, dennoch treffen die Betreiber einen Nerv: Das ständige Connected-Sein wird vielen zur Last, die "fear of missing out" überkommt nicht nur Teenager.

Offline ist trendig

Sämtliche Experten, von Neurobiologen bis zu Ökonomen, haben allerdings darauf hingewiesen, dass ständiges Online-Sein keinen positiven Effekt auf die Arbeit hat – im Gegenteil. Und obwohl es verboten ist, im Camp über den Beruf zu sprechen, sind ein kreativer Schub und neue Motivation für den Job das Hauptmotiv vieler Besucher, berichtete eine Teilnehmerin dem Daily Telegraph.

In dieser britischen Tageszeitung wird der digitale Entzug als der Trend 2015 beschrieben. Nicht nur in der Freizeit, sondern auch in den Unternehmen selbst könne man diesen Kurswechsel sehen: Google biete etwa schon vermehrt Rückzugsräume an, in denen Mitarbeiter ohne digitale Geräte arbeiten können. Papier und Stifte gegen Powerpoint.

Auch bei den eigenen Kindern achtet die digitale Elite darauf, dass der Smartphone-Konsum eingeschränkt bleibt: Seit einigen Jahren boomen deshalb Waldorfschulen im Valley, in denen es bis zur vierten Klasse Unterstufe keine Computer gibt.

In die Schublade?

So radikal wird der Detox-Trend in Europa (noch) nicht gelebt, Touristiker sind allerdings bereits darauf spezialisiert. Und gesundes Arbeiten ist bereits zur Führungsaufgabe erklärt.

Die Rechnung dahinter ist betriebswirtschaftlich schlüssig – immerhin dauert ein Krankenstand wegen einer psychischen Erkrankung dreimal so lange wie einer aufgrund einer körperlichen. Volkswirtschaftlich lässt sich auch gut errechnen, worum es geht. Einer Studie der Johannes-Kepler-Uni in Linz aus dem Jahr 2013 zufolge koste ein Burnout-Fall bei Früherkennung zwischen 1500 und 2300 Euro (Therapie und Krankenstandstage). Bei einer zeitverzögerten Diagnose belaufen sich demnach die Gesamtkosten dann schon auf 12.400 bis 17.700 Euro. Kommt es aber erst in der Akutphase zur Behandlung des Burnouts, so treten Kosten von mehr als 100.000 Euro pro Betroffenen auf. Das kostet jährlich Milliarden und erzwingt viel zu frühes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben.

Akut burnoutgefährdet

Sind Führungskräfte mit einem notwendigen multiprofessionellen Herangehen an den Zustand ihrer Teams nicht überfordert? Nimmt man die Studien über den psychischen Zustand dieser Gruppe zur Hand, dann drängt sich ebendieser Verdacht auf: Ein Drittel sieht sich laut Erhebungen des Hernstein-Instituts selbst als burnoutgefährdet, fünf Prozent halten sich für akut gefährdet.

Bei Personen mit ein bis drei Jahren Berufserfahrung bezeichnet sich die Hälfte aller Führungskräfte als zumindest teilweise gefährdet. "Häufig werden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aufgrund fachlicher Kompetenzen befördert. Doch oft sind sie für die damit verbundene Übernahme von Personalverantwortung ungenügend vorbereitet", kommentiert Hernstein-Chefin Eva-Maria Ayberk.

Dass es nicht immer nur um ein Zuviel (oder Zuwenig) geht, macht sie auch klar: "Wenn der Sinn der Tätigkeit infrage gestellt wird oder eigene Gestaltungsmöglichkeiten fehlen, kann sich das ebenfalls sehr negativ auf die Psyche auswirken." Und damit spricht sie ein weitverbreitetes Unbehagen an: Das soll sinnvoll sein?

Wissen vs. Tun

Tiefer in die Hernstein-Studie geblickt: Personen, die sich selbst als gefährdet ansehen, machen tendenziell weniger oft Pausen, weniger Sport und weniger Ausgleich als diejenigen, die sich als nichtgefährdet empfinden. Diese Führungskräfte sammeln also weiter Belastungsfaktoren an. "Wichtig ist es, trotz des ganzen Trubels die Stopptaste zu drücken, die eigenen Stressmuster zu kennen und zu durchbrechen", sagt Ayberk.

Wo die Stopptasten liegen, dass Pausen, halbwegs gesunde Ernährung, der Aufbau von Gegenwelten zum Job und das Einüben von Entspannungstechniken mittlerweile zum Grundrüstzeug für einen nachhaltigen Erfolg gehören, ist so weit bekannt. Zwischen Wissen und Umsetzen scheinen aber schwer zu überbrückende Gräben zu liegen.

Wenn die, die es vorleben sollen, es nicht oder schlecht können, wie sollen ein Bewusstsein und ein angemessenes Selbstmanagement im Team entstehen? Gesundes Führen gehört zum modernen Codex der Leadership. Dass es dabei vor allem um Haltungen der Wertschätzung, des Ermöglichens, um ein Menschenbild aus positiven Aspekten und Verantwortung geht, hat sich in den vergangenen Jahren deutlich in den Weiterbildungsangeboten niedergeschlagen – und zu interessanten Ausformungen geführt: Wenn also die Chefs für die Gesundheit der Leute verantwortlich sind, warum dann nicht gleich klare Benennung?

Glücklich und gesund im Job

So ist jetzt der Chief Happiness Officer (CHO) entstanden – ein Vorstand, der für das Glück der Belegschaft zuständig ist, weil, wenn alle happy sind, alle produktiv, loyal, committet sind und nicht weniger als ihr Bestes geben. Krank werden sie dann auch nicht, zumindest nur selten.

Glück im Job ist im Zuge dieser Entwicklungen ein großes Thema geworden, dem sich auch die Ökonomie widmet. Das ist neu – früher gab es für die saure Arbeit ja die süße Belohnung Kohle und damit basta. Deal. Nun macht sich Happyology breit – im World Happiness Index der Uno, im Better Life Index der OECD, in Schulfächern (glueck-macht-schule.at); in Rotterdam wird zur Glücksforschung fleißig gesammelt und in die World Database of Happiness eingeschrieben. Glück ist auch das Thema in Mitarbeiterbefragungen, in Bonuskennzahlen von Führungskräften bis eben hin zu einem neuen Vorstandsjob.

Wenn man es nur kaufen könnt'

Glück ist also gut – von der Produktivität bis zu den Gesundheitskosten und der Altersversorgung. Es ist erstrebenswert angesichts der wachsenden Schar offensichtlich Nichtglücklicher, die sich mit psychosomatischen Beschwerden, mit Erschöpfungssyndrom und Burnout ebenfalls in den Fokus mehr oder weniger besorgter Ökonomen, Firmenchefs und Politiker gerückt haben.

Als Konsumgut einer hungrigen, satten Gesellschaft versagt das Glück aber. Es ist wiederum auch irgendwie beruhigend, dass die Herstellung nicht dekaweise wie in der Wurstfabrik funktioniert. "Hedonistische Tretmühle" heißt ja, dass mehr Konsum nicht mehr Glück bringt. Seit den 1970ern ist das Easterlin-Paradox mehrfach bestätigt, wonach Geld Lebenszufriedenheit kauft, aber ab einem gewissen mehr als absichernden Einkommen kein Glück.

Gelockt wird anders

Das steht mittlerweile auch in der anschwellenden Flut an Befunden über die Generationen Y und Z, die unter dem Generalmotto "Sinn und Glück schlagen Geld" erscheinen. In den Arbeitsmarkt gelockt werden die Jungen hingegen mit allerlei Verheißungen.

Gemixt wird ein süßer Cocktail aus Flexibilität, dem Gefühl der Selbstbestimmung und Freiheit, der Zugehörigkeit, des Verbundenseins, garniert mit etwas Glamour echter Unverzichtbarkeit und Bedeutsamkeit, versetzt mit Sozialem – vom Corporate Volunteering bis zur erweiterten Responsibility. (Karin Bauer, Lara Hagen, 29.8.2015)