Christian Horak: "In die sozialunternehmerische Landkarte ist in der letzten Zeit deutlich Bewegung gekommen."

Foto: Standard

STANDARD: Über Ihrem diesjährigen Kongress für die Non-Profit-Welt steht die Frage: "Was muss sich ändern?" Fühlen Sie großes Unbehagen, dass vieles in die falsche Richtung geht?

Horak: In Teilbereichen läuft es sicher falsch, das sehen wir ja am Flüchtlingsthema. Insgesamt aber zwingen die Umfeldentwicklungen zum Handeln, zum Verändern der Organisation. Da stecken noch einige den Kopf in den Sand oder verweigern den Blick darauf, was durch Digitalisierung, Big Data und auch durch gesellschaftliche Umwälzungen auf uns zukommt – oder teilweise schon da ist. Da verhalten sich viele Organisationen noch wie das Taxigewerbe: Protestieren gegen Uber. Protestieren wird nicht reichen, aktiver Umgang ist gefragt.

STANDARD: Zum Beispiel?

Horak: Etwa im medizinischen Umfeld. Diesen Bereich bespielen viele Sozialorganisationen. Das Internet der Dinge verändert Betreuungsansätze teilweise radikal. Beispiele aus den USA zeigen massive Veränderung der Patientenströme bis hin zu nur mehr 25 Prozent der bisherigen Spitalsklientel. Sensoriken etwa machen dauernde Konsultationen nicht mehr notwendig. Die Telemedizin und Elga sind erst der Anfang. Sich dem zu verschließen heißt, die Organisation nicht vorzubereiten. Es muss anders investiert werden, Jobprofile ändern sich massiv. Da wollen wir sensibilisieren: Versteckt euch nicht! Diese großen Veränderungen kommen zuerst schleichend und dann plötzlich.

STANDARD: Nützt die fünfte Macht im Staat, nützt die Beteiligung via Social Media, dem sogenannten dritten Sektor?

Horak: Hasspostings und das Rote Kreuz ist ein aktueller Fall, bei dem sich die Frage stellt: Wie gehe ich damit um? Grundsätzlich nützen Social Media denen, die Voice-Funktion haben, etwa Amnesty International. Wie das den Sektor insgesamt beeinflussen wird, kann ich aber noch nicht abschätzen. Ohne diese Medienkompetenz werden wir aber alle nicht auskommen.

STANDARD: Erste Ergebnisse einer europaweiten Bestandsaufnahme des Sozialbereichs haben für Österreich ergeben, dass es schwieriger geworden ist, Personal und Freiwillige zu finden. Ist das so?

Horak: Alles in allem: ja. Weil die Auseinandersetzung mit Wünschen und Bedürfnissen Freiwilliger nicht immer stattfindet. Auch Freiwilligenarbeit braucht Personalmanagement und Personalentwicklung. Aber es ist zu differenzieren. Besonders hakt es im Pflegebereich, in anderen Bereichen funktioniert es wunderbar. Es ist sogar so, dass Junge – etwa an der Wirtschaftsuniversität – die sinnerfüllte Arbeit in einer NPO suchen. Dazu kommen auch wesentliche Stadt-Land-Unterschiede in der Freiwilligenrekrutierung. Insgesamt wird die Qualifizierung aber sicher herausfordernder. Durch veränderte Schnittstellen, veränderte Finanzierungsnotwendigkeiten. Die Devise ist: proaktives Personalmanagement.

STANDARD: Die allgemeine Stimmungslage? Zu wenig Geld, immer größere Aufgaben?

Horak: Meine Gesamtwahrnehmung ist nicht, dass alle nur über Schwierigkeiten klagen. Viele nehmen die Herausforderungen sehr erfolgreich an. Und die Professionalisierung hat zugenommen und nimmt zu, auch hinsichtlich der betriebswirtschaftlichen Komponenten. Das gilt übrigens auch für die öffentliche Verwaltung, auch wenn die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit da nicht immer deckungsgleich mit den Entwicklungen ist.

STANDARD: Nehmen Sie Trends im Bereich wahr?

Horak: Meine aktuelle Beobachtung ist, dass NPOs, die stark im Voice-Bereich agieren, verstärkt Wahrnehmung genießen.

STANDARD: Wie entwickeln sich die Schnittstellen von klassischen NPOs, gemeinnützigen Stiftern, öffentlicher Verwaltung und Unternehmen? Gerade über Social Business, also Lösung eines sozialen Problems mit marktwirtschaftlichem Agieren und Gewinnabsicht, wird ja derzeit viel geredet ...

Horak: In die sozialunternehmerische Landkarte ist in der letzten Zeit deutlich Bewegung gekommen. In Summe fehlt es nach wie vor an Koordination zwischen den von Ihnen genannten Beteiligten, um die Idee des Sozialunternehmertums noch besser umzusetzen und den Wirkungsgrad im Sozialbereich zu erhöhen. Es bedarf vermittelnder Unterstützung durch neutrale Experten, um diese Akteure besser zusammenzuführen und für diese Akteure ihre eigene Rolle in Bezug auf das Sozial-unternehmertum zu schärfen.