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Die französischen Journalisten Catherine Graciet und Éric Laurent haben mit ihrem Buchprojekt über König Mohammed VI. für Furore gesorgt – auch in arabischen Medien. Nun müssen sie der Justiz erklären, was es mit der Zahlung von drei Millionen Euro auf sich hat.


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"Der räuberische König" soll doch nicht bei Seuil erscheinen.

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Paris – In einem Punkt sind sich alle Seiten einig: Das neue Enthüllungsbuch der beiden französischen Journalisten Éric Laurent und Catherine Graciet hat das Zeug zu einer politischen Bombe. Es schildert angebliche Palastintrigen und das Verprassen öffentlicher Gelder durch den Hofstaat von Mohammed VI., dem König Marokkos. Das Buch soll so explosiv sein, dass Laurent von sich aus um ein Gespräch mit dem persönlichen Sekretär des Königs bat. Er traf schließlich einen Anwalt aus Rabat, der Hauptstadt des nordafrikanischen Staates. Und ab diesem Moment gehen die Versionen auseinander.

Laut der marokkanischen Regierung boten die beiden Autoren an, das Buchprojekt fallenzulassen – wenn sie dafür mit drei Millionen Euro abgefunden würden. Am Wochenende wurde gegen Laurent und Graciet deshalb in Paris ein Strafverfahren mit dem strafrechtlichen Vorwurf der "Erpressung" eröffnet.

Die beiden wurden nämlich in einem Pariser Hotel in flagranti ertappt, als sie einen entsprechenden Vertrag unterschrieben. Darin verpflichten sich Laurent und Graciet, "nichts mehr über das Königreich Marokko zu schreiben und sich nie mehr öffentlich über dieses Land zu äußern". Als Vorschuss erhielten sie 80.000 Euro ausgehändigt. Sie steckten das Geld ein – und wurden festgenommen.

Wieder auf freiem Fuß, legten sie am Montag schließlich ihre Sicht der Dinge dar. Laurent bestätigte in einem Interview mit der Zeitung "Le Monde" zerknirscht, dass er zwar den Deal eingegangen sei; dieser sei aber nicht von ihm, sondern von Rabat vorgeschlagen worden – weshalb es sich nicht um Erpressung handle. "Wenn ich mit der Idee zu dem Gespräch gekommen wäre, Geld zu verlangen, wäre ich vorsichtiger gewesen", argumentiert der 68-jährige Starjournalist, der bereits mit Büchern über die US-amerikanische Präsidentenfamilie Bush oder die Kontrolle der marokkanischen Wirtschaft durch Mohammed VI. Furore gemacht hatte.

Zufälligerweise erscheinen justament in einer Woche seine neuesten Recherchen und Enthüllungen über die Tricks der Finanzmärkte.

Mitschnitt mit Handy

In dem ominösen Gespräch mit dem Vertreter des Königs fiel Laurent allerdings nicht auf, dass der marokkanische Anwalt sein Handy auf dem Tisch liegen und alles mitgeschnitten hatte. Darin erklärt Laurent explizit, dass er für sein Schweigen "drei Millionen" verlange. Bloß behauptet er jetzt, dass die Königsberater diesen Betrag schon vorher selber vorgeschlagen hätten.

Von "Le Monde" gefragt, warum er sich überhaupt habe "kaufen" lassen, antwortete Laurent, seine Frau sei an Krebs in fortgeschrittenem Stadium erkrankt und er könne das Geld für die Pflege gebrauchen. Er habe die Dummheit, Geld anzunehmen, auch begangen, weil er "genug" habe von den überaus harten Ermittlungen in der Entourage des marokkanischen Königs.

Graciet, die mit kritischen Büchern über das marokkanische Regime sowie über die Verbindungen zwischen Nicolas Sarkozy und Muammar Gaddafi aufgefallen war, gab am Montag unter Tränen zu, sie sei "der Versuchung erlegen". Die Buchrecherchen seien ungeheuer schwierig gewesen: "Ich wurde in Marokko und in Paris überwacht, mein erstes Manuskript am PC wurde gehackt. Ich wurde fotografiert, verfolgt, beleidigt und erhielt Todesdrohungen. Die Familien, die ich antraf, wurden unter Druck gesetzt."

Ob die beiden renommierten Journalisten schließlich wegen Erpressung angeklagt und verurteilt werden, muss die französische Justiz entscheiden. Pressevertreter in Paris warnen schon jetzt vor einem "politischen" Urteil zugunsten des marokkanischen Königs, dem Frankreichs Staatspräsident François Hollande aus diversen – ökonomischen, diplomatischen und migrationspolitischen – Gründen verpflichtet sei.

"Stürzen nein, erschüttern ja"

Auf die Frage, ob das Buch die Monarchie stürzen könnte, antwortete Laurent: "Stürzen nein, erschüttern ja."

Der Pariser Großverlag Seuil hat am Montag angekündigt, er werde das Buch nicht wie geplant herausbringen. Laurent, der das Manuskript dennoch veröffentlichen will, muss einen anderen Verlag suchen. Rabat dürfte allerdings alle Hebel in Bewegung setzen, um die Publikation zu verhindern. (Stefan Brändle, 1.9.2015)