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Einen Tag lang in Muße zu verleben heißt, einen Tag lang unsterblich sein. Sagt man. Für solcherlei Unsterblichkeitsübung haben die Bürogeher, Macher und Checker aber halt leider keine Zeit. Je mehr aber die Informationsflut und der negative Stress das Gehirn und gefühlt das ganze Leben zerfressen, desto größer wird auch die Sehnsucht, nichts tun zu können, die Sehnsucht nach einem Zustand, der "schön ist es hier mit mir" heißt.

Auch Wissenschafter sagen nun: Meditation tut gut.
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Damit hat die Wissenschaft die Negativ-Gestressten und Sinnsucher lange alleingelassen oder jenen überlassen, die Angebote haben – bis hin zu Sekten. Mit dem Fortschreiten nichtinvasiver Techniken zwecks Messung von Gehirnaktivitäten ist das jetzt anders. Mittlerweile darf man in erweiterten Wissenschafterkreisen sagen: Meditation als geistige Übung tut Körper und Seele gut. Sie senkt den Blutdruck, stabilisiert das Hormon- und stärkt das Immunsystem, reguliert den Blutzuckerspiegel, hilft gegen Schlafstörungen.

Es können dadurch Bewusstseinszustände erreicht werden, die irgendwo zwischen totaler Entspannung (Alpha- und Thetawellen) und allerhöchster Konzentration (Gammawellen) liegen. Und: Mystische Erfahrungen (oder Erleuchtungen) sind möglich. Die Kultivierung der Achtsamkeit – das Lernen einer liebevollen Distanz zu belastenden Gefühlen und Gedanken -, etwa als Rückfallsprophylaxe bei psychischen Erkrankungen, verbreitet sich unter Medizinern.

Vermessene Mönche

Und all das verschafft etwa den Mönchen des Dalai Lama Hochkonjunktur. Auch bei den Forschern: Alle wollen sie in die Magnetröhre legen und schauen, wie die das machen mit ihrem Gehirn. Im Gefolge der Neurowissenschaften ist die Meditationsforschung auf dem Vormarsch und gehen Hirnforscher mit ihren Werkzeugen zu den Altaren des Spirituellen – vornehmlich der buddhistischen Philosophie.

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Buddhistische Mönche vor dem Wat Suthat Tempel in Bangkok.
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Vor allem Anfang der 2000er-Jahre kumulierten die Messungen, wonach regelmäßiges Meditieren das Gehirn verändert, den sonst altersbedingten Abbau gewisser Hirnregionen verhindert, Depressionen und körperliche Erkrankungen zu heilen vermag. Größere Blutgefäße und mehr neuronale Vernetzungen in den für Aufmerksamkeit und Sinnesverarbeitung zuständigen Hirnarealen wurden etwa bei jahrelang regelmäßig Meditierenden an der Boston Medical School gemessen. Gemessen wurde auch, dass bei tibetischen Buddhisten mit viel Meditationspraxis die Aufforderung, sich in den Zustand reinen Mitgefühls zu versetzen, 30-mal höhere Aktivität der Gammawellen (treten auf, wenn sich Hirnareale miteinander verschalten) erzeugt.

Delfine übrigens können mit ihren Ultraschallfrequenzen auch, was geübtes Meditieren vermag: Diesen Tieren nah zu sein versetzt menschliche Gehirnwellen verstärkt in einen niederfrequenten Alpha- und Thetazustand (wie bei einem meditativen Entspannungszustand) – Ergebnis: entspannt-fröhliches Befinden und starke Glücksgefühle.

Gesundmachende Empathie lernen

Apropos: Dass negative Gefühle "ansteckend" sind und das Beobachten eines unter Stress bebenden Menschen Stress bei den Zusehern verursacht, ist auch vermessen. Jetzt wird daran geforscht, wie sich Aufmerksamkeit, Mitgefühl, Altruismus und damit Ausgeglichenheit, Zentriertheit – letztlich Glück – lernen lassen. Das Ob steht etwa für Tania Singer, die Direktorin der Abteilung Soziale Neurowissenschaft am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig (Tochter des Neurophysiologen Wolf Singer), längst nicht mehr infrage. "Mitgefühl kann wie ein Muskel trainiert werden." Das kann eben auch Stress reduzieren.

Einfach mal nichts tun ist laut der Kreativitätsforschung wichtig für gute Ideen – und Alphawellen.
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Wie? "Wenn Sie ständig im Leistungssystem stecken, in diesem Mehr-erreichen-Wollen oder aber im "Ich bin nicht gut genug"-Credo, dann können Sie keine Entspannung oder kein Selbstmitgefühl empfinden. Das Motivationssystem, das uns Ziele erreichen und Leistung produzieren lässt, ist zwar überlebenswichtig, doch müssen wir auch manchmal einfach zur Ruhe kommen. Emotionen wie Liebe und Akzeptanz stellen sich nicht in Stress- oder in Angstsituationen ein – sie werden dann sogar gehemmt. Fürsorge und positive warme Gefühle entspringen mitunter auch dem sogenannten Bindungssystem, was auch durch Massagen aktiviert werden kann. Wenn wir beide Systeme nicht in ein Gleichgewicht bringen, entstehen stressbedingte Krankheiten."

Das massive Interesse an den Gehirnwellen teilt auch die Kreativitätsforschung. Dass gute Ideen eher unter der Dusche, beim Laufen oder beim In-die-Luft-Schauen kommen als am Konferenztisch und vor einer Excel-Datei, liegt daran, dass auch sie auf Alphawellen reiten.

Was den Geistesblitz anlockt

Jedenfalls kommt der Geistesblitz nicht unerklärlich irgendwie von außen nach anstrengendem Brainstorming und Mindmapping daher, sondern wird von bestimmten Bedingungen angelockt – wenn die rechte Gehirnhälfte Zeit und Muße hat, Verbindungen zwischen scheinbar unzusammenhängenden Dingen herzustellen, wenn die Aufmerksamkeit nach innen geht. Dann ist der Geistesblitz auch vorhersagbar – so circa acht Sekunden vor Eintreffen, wenn nämlich rechts alles in Alphawelle ist.

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Surfen auf der Alphawelle – für Erholung und Erleuchtung zentral.
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Natürlich wird auch heftig experimentiert, wie solches Wellenreiten künstlich zu erzeugen sei, etwa durch Beschallung beider Ohren in jeweils unterschiedlicher Frequenz oder schlicht durch Wägen, Messen, Zählen der gefühlten Wirkung bestimmter Musikwerke. Mancherorts werden sie zu Heilzwecken auch schon (wieder) bewusst eingesetzt.

Wellnessangebote, Mindmachines, auf Alphawellenproduktion spezialisierte Coaches – eine ganze Heil versprechende Industrie ist mittlerweile entstanden. Aus der Konserve zum käuflichen Erwerb geboten kommt, was in der Wirklichkeit zurückgedrängt, vergessen oder sogar vertrieben wurde – etwa Didgeridoo-Klänge in Kombination mit australischem Abenddämmerungslicht.

Jedenfalls definitiv schwer unterschätzt von allen, die tagein, tagaus rennen und multiabarbeiten: Wesentliches passiert, wenn das alles nicht passiert.