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Bei ersten Demonstrationen gegen den Putsch in Burkina Faso in der Nacht auf Donnerstag sollen auch Schüsse gefallen sein. Für den Tag wurde zu weiteren Kundgebungen aufgerufen.

Foto: AP / Theo Renaut

Ouagadougou – Knapp vier Wochen vor der geplanten Wahl haben Sicherheitskräfte im westafrikanischen Burkina Faso die Übergangsregierung aufgelöst und selbst die Macht übernommen. Ein Sprecher des Militärs verkündete im staatlichen TV-Sender RTB, Präsident Michel Kafando und die Regierung seien ihrer Ämter enthoben worden. Zum neuen Präsidenten wurde laut einer TV-Mitteilung der hohe General Gilbert Diendéré ernannt. Dieser war einst Stabschef des 2014 abgesetzten Expräsidenten Blaise Compaoré. Allerdings rief sich auch Parlamentspräsident Chérif Moumina Sy in Abwesenheit Kafandos zum vorübergehenden Staatschef aus.

Nach dem Willen der Armee soll ein "Demokratierat" nun "demokratische und für alle offene Wahlen" organisieren. Im Zentrum der Hauptstadt Ouagadougou sollen Soldaten Donnerstagfrüh mehrmals Warnschüsse abgegeben haben, um Demonstrationen gegen den Umsturz zu unterbinden. Laut Berichten lokaler Medien wurden mehrere Menschen verhaftet oder von Sicherheitskräften geschlagen. Zudem schloss das Militär vorerst die Grenzen zum Ausland. In der Nacht soll eine Ausgangssperre gelten.

Putschisten stehen Expräsident Compaoré nahe

Am Vortag hatten Soldaten der Präsidentengarde Staatschef Kafando, Regierungschef Isaac Yacouba Zida und mehrere Minister als Geiseln genommen. Diese befanden sich auch Donnerstagfrüh weiter in der Gewalt der Soldaten. Die Regierung hatte zuvor geplant, die mächtige Elitetruppe noch vor der geplanten Wahl aufzuspalten. Zudem waren Kandidaten, die dem 2014 ins Ausland geflüchteten Expräsidenten Compaoré nahestehen, von der Wahl ausgeschlossen worden.

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hatte in der Nacht die sofortige Freilassung der Regierungsmitglieder gefordert, ebenso die USA und der UN-Sicherheitsrat. Das US-Außenministerium verurteilte jeden Versuch, die Macht durch Gewalt zu übernehmen. Auch der Sicherheitsrat verlangte, von jeglicher Gewaltanwendung Abstand zu nehmen. Ein Sprecher von Frankreichs Präsident François Hollande sagte ebenfalls, Paris verurteile den neuerlichen Umsturzversuch und rufe zu einer Freilassung des Präsidenten und des Premiers auf.

Umsturz vor rund einem Jahr

Die Präsidentengarde gilt in großen Teilen immer noch als loyal gegenüber Ex-Präsident Compaoré. Dieser war im vergangenen Jahr nach 27 Jahren an der Macht durch Massenproteste gestürzt worden. Am 11. Oktober sollten Neuwahlen stattfinden, um die Rückkehr zur Demokratie zu festigen. Burkina Faso gehört einem UN-Entwicklungsindex zufolge zu den zehn ärmsten Ländern der Welt.

Übergangsparlamentschef Sy, der sich vorerst in Freiheit befand, rief für den Donnerstag zu Großprotesten auf: "Ich rufe alle Patrioten auf, ihr Heimatland zu verteidigen." Alle Bürger müssten für die Freilassung der Regierung auf die Straße gehen. Der Gewerkschaftsbund CGT-B rief zu einem Generalstreik ab Donnerstag auf.

Schüsse bei Demonstration

Sicherheitskräfte hatten schon am Mittwochabend vor dem Präsidentenpalast Warnschüsse abgegeben, um eine Demonstration zur Freilassung der Übergangsregierung zu unterbinden. Der unabhängige Radiosender Omega FM, der zunächst über die Vorfälle berichtete, wurde von den Soldaten geschlossen. Die Motorräder und Autos der Journalisten wurden einem Medienbericht zufolge in Brand gesteckt.

Die Mitglieder der Präsidentengarde hatten laut Berichten eine Kabinettssitzung gestürmt und die gesamte Regierung als Geiseln genommen. Einige Minister sollen laut örtlichen Medien danach allerdings wieder freigelassen worden sein.

Ein UN-Sprecher sagte in New York, die Vereinten Nationen stünden fest hinter der Übergangsregierung. "Dieser Vorfall ist eine schwere Verletzung der Verfassung und der Übergangsstatuten von Burkina Faso." Auch das Außenministerium Frankreichs, der früheren Kolonialmacht, äußerte Besorgnis. Die Regierung "verurteilt jegliche Gewaltanwendung und fordert die unverzügliche Freilassung aller festgehaltenen Personen", hieß es.

Streit um Kandidaten bei geplanter Wahl

Compaoré, der lange Zeit als Mann Frankreichs galt, war nach seinem Sturz in die benachbarte Elfenbeinküste geflohen. Einige Kandidaten, die als loyal zu ihm gelten, wurden vom Verfassungsrat nicht zur Wahl zugelassen. Ein dauerhafter Machtverlust für Compaoré und seine Getreuen stand nach Ansicht vieler Beobachter daher kurz bevor.

Präsident Kafando hatte seine Macht erst unlängst konsolidiert und selbst auch die Leitung des Verteidigungs- und Innenressorts übernommen. Nach Compaorés Flucht hatte vergangenes Jahr zunächst Ministerpräsident Zida, der frühere Vizechef der Präsidentengarde, die Macht an sich gerissen. Die Afrikanische Union drohte jedoch mit Sanktionen und erwirkte einen Übergang zu einer zivil geführten Regierung. (APA, red, 16.9.2015)