Der litauische Vize-Innenminister Elvinas Jankevičius unterstützt das Schengen-System der offenen Grenzen, schließt aber Grenzkontrollen zu EU-Nachbarstaaten nicht aus.

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Litauische Grenzkontrolle.

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Nach anfänglichem Zögern ist Litauen bereit, dem Plan der EU-Kommission zur Verteilung von 120.000 Flüchtlingen zuzustimmen. Insgesamt bedeutet das für das baltische Land die Aufnahme von 1.105 Flüchtlingen, die meisten davon aus Italien und Griechenland. Man stimme dem derzeitigen Plan "bedingungslos" und "zu 100 Prozent" zu, erklärt Vize-Innenminister Elvinas Jankevičius im Gespräch mit dem STANDARD.

Vor kurzem klang das alles noch ganz anders. Als Gegner der EU-weiten Quote wurden stets Ungarn, Polen, Tschechien und die Slowakei im selben Atemzug mit den baltischen Staaten genannt. Im Mai sprach man noch von nur 40 bis 50 Flüchtlingen, im Juli hieß es, dass Litauen freiwillig maximal 325 Menschen aufnehmen würde, und diese sollten nach Angaben des Innenministers Saulius Skvernilis auch zu den "kulturellen Charakteristiken" Litauens passen. "Wir werden Christen nicht bevorzugen", versichert nun Vize-Innenminister Jankevičius. Und beim Treffen der EU-Innenminister am Dienstag werde man der Verteilungsquote zustimmen.

Einigung am Dienstag unklar

Ob dort die notwendige Mehrheit zustande kommt, traut sich Jankevičius dennoch nicht vorauszusagen. "In einigen der skeptischen Staaten finden bald Wahlen statt, wie zum Beispiel in Polen." Das könne die Entscheidungen beeinflussen, vermutet Jankevičius. Das Argument Polens, ukrainische Flüchtlinge könnten schon bald die EU-Grenzen stürmen, lässt er aber nicht gelten. In die baltischen Staaten kämen "nicht besonders viele", zahlreiche würden auch nur innerhalb der Ukraine Schutz suchen.

Bedenken äußert Litauen aber im Zusammenhang mit einem "permanenten Mechanismus zur Flüchtlingsverteilung". Langfristige Versprechungen will Jankevičius nicht machen, Litauen sei "ein kleines Land mit eingeschränkten Kapazitäten".

"Können nicht Augen und Ohren verschließen"

Zäune an den EU-Außengrenzen, wie jener Ungarns an der serbischen Grenze, würden aber das Problem der EU mit den Flüchtlingen "überhaupt nicht" lösen. "Wir können nicht einfach unsere Augen und Ohren vor allem verschließen. Wenn Menschen vor Krieg und Verfolgung fliehen, ist es unsere Verantwortung zu helfen", erklärt Jankevičius.

Grenzkontrollen zu EU-Nachbarstaaten sind dem Vize-Innenminister zufolge aber weiterhin eine Option. "So sollte es natürlich nicht sein", denn prinzipiell sei Litauen "für Schengen und für offene Grenzen". Man halte sich die Möglichkeit aber offen, sollte sich Litauen mit verstärkten Flüchtlingsbewegungen konfrontiert sehen.

Nur Kriegsflüchtlinge

Auch wenn die Forderung nach christlichen Flüchtlingen fallengelassen wurde, will man in einem anderen Bereich streng sein. Nämlich dabei, festzustellen, "wer wirklich auf der Flucht ist", sagt Jankevičius. Verzweiflung oder Perspektivlosigkeit lässt der stellvertretende Innenminister nicht als Fluchtgründe gelten, um hohe Arbeitslosigkeit oder weitverbreitete Armut gehe es "in der derzeitigen Krise" nicht.

"Litauen und die EU können sich eine große Menge an Leuten nicht leisten, die nur einen besseren Job wollen, aber ganz gut in ihrer eigenen Heimat leben können." In den letzten zehn Jahren haben in Litauen 4.000 Menschen Asyl erhalten, vergangenes Jahr waren es 200. Wie viele um Asyl angesucht haben, will Jankevičius nicht genau ausführen. (Noura Maan aus Vilnius, 21.9.2015)