Franz Hochstöger trat mit der "Liste Franz Hochstöger" zur Gemeinderatswahl in St. Georgen am Walde an – allein. Dann gewann er sechs Mandate. Fünf zu viel. Irgendwie. Was mit ihnen passiert, fällt in eine "echte Rechtslücke".

Foto: Stefanie Sickinger

St. Georgen am Walde/Wien – Es ist ein Kuriosum, das sich in der Mühlviertler Gemeinde St. Georgen am Walde bei den oberösterreichischen Gemeinderatswahlen am Sonntag ergeben hat: Da tritt ein Mann zur Wahl an – und gewinnt aus dem Stand sechs Sitze im örtlichen Gemeindeparlament. Oder 24,9 Prozent der 1.462 gültigen Stimmen.

Problem: Woher so viele Gemeinderäte nehmen, wenn auf der "Liste Franz Hochstöger" – Kurzbezeichnung LFH – nur ein einziger Name stand: nämlich Franz Hochstöger und niemand sonst. Jetzt hat der Inhaber einer Vermessungskanzlei sechs Mandate, aber nur sich selbst als Mandatar zur Verfügung. Und, so erzählt er im STANDARD-Gespräch, die oberösterreichische Kommunalwahlordnung "erlaubt mir nicht, jemanden nachzunominieren, ich darf die Mandate auch nicht verschenken. Die fünf freien Sitze sollen also unbesetzt bleiben. Es ist geplant, dass der Gemeinderat um fünf Sitze kleiner wird und nur noch 20 Sitze hat." Einer davon ist seiner.

Einspruch vom Verfassungsjuristen

Da aber kommt Einspruch von Verfassungsjurist Heinz Mayer. Denn die oberösterreichische Gemeindeordnung legt die Anzahl der Mitglieder des Gemeinderates in Gemeinden mit 1.901 bis 4.500 Einwohnern explizit mit 25 fest – so viele haben dann auch drin zu sitzen: "Ich sehe da keine Möglichkeit, den Gemeinderat zu verkleinern", sagte Mayer im STANDARD-Gespräch. Eine Verkleinerung ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt – und dürfe auch nicht freihändig vorgenommen werden, warnt Mayer vor fatalen Konsequenzen: "Damit wäre der Gemeinderat nicht gesetzmäßig zustande gekommen und alles, was er in den nächsten sechs Jahren beschließen würde, wäre rechtswidrig."

Sechs-Mandats-Gewinner Hochstöger hingegen glaubt, dass die Verkleinerung auf 20 Sitze "der Auslegung der Gemeindeordnung entspricht". Er verweist auf einen ähnlichen Fall in Bad Leonfelden. Dort hat die Bürgerliste "E.L.W.I.S. Preslee Partei" 2009 fünf Mandate errungen, aber nur vier Kandidaten auf dem Wahlvorschlag gehabt. Der Gemeinderat hatte bis zur jetzigen Wahl nur 24 Mandate, das eine unbesetzte E.L.W.I.S-Mandat blieb ungenutzt.

Nicht beschlussfähiger Gemeinderat

Schlecht für Bad Leonfelden, meint Verfassungsexperte Mayer, weil der Gemeinderat damit "nicht gesetzmäßig" zustande kam und eigentlich nicht beschlussfähig war.

Generell runzelt Mayer die Stirn über die Konstellation in St. Georgen am Walde: "Das wundert mich, dass das möglich ist, dass so ein Wahlvorschlag zugelassen wird." Auf Bundesebene gibt es nämlich klare Regelungen für einen Wahlvorschlag, die so etwas verhindern sollen. Ein Wahlvorschlag für den Nationalrat muss doppelt so viele Wahlwerber auflisten wie im jeweiligen Wahlkreis zu vergebende Mandate. Für einen Wahlkreis mit zehn Mandaten müssen also mindestens 20 Kandidatinnen und Kandidaten vorgelegt werden.

In der Kommunalwahlordnung von Oberösterreich hingegen fehlt so eine Regelung. Es ist vielmehr nur ein Maximum definiert. Demnach muss ein Wahlvorschlag eine Parteiliste mit "höchstens doppelt so vielen Bewerbern, wie in der Gemeinde Mitglieder des Gemeinderates zu wählen sind", aufweisen.

"Eine echte Gesetzeslücke"

Mayer fände es angesichts des Falles in St. Georgen sinnvoll, Kandidaten nachnominieren zu können – wo andernfalls Mandate unbesetzt bleiben, weil die Liste nur aus einer Person bestand. Das aber ist im Gesetz nicht geregelt. "Eine echte Rechtslücke", sagt Mayer. Schließen müsste sie der oberösterreichische Landtag, indem er eine neue Kommunalwahlordnung beschließt. Am besten nach dem Vorbild des Bundes, meint Mayer: "Das hat sich bewährt."

Der Bürgermeister als seine eigene Fraktion

Franz Hochstöger hat übrigens noch eine zweite, etwas spezielle Situation: Er hat auch das beste Ergebnis der vier Bürgermeisterkandidaten eingefahren und sollte in eine Stichwahl mit dem bisherigen Bürgermeister Leopold Buchberger (SPÖ).

Sollte, denn dieser Gegner ist ihm nun aber kurzerhand abhanden gekommen. Buchberger wird nicht antreten. Daher werden die Wählerinnen und Wähler in St. Georgen am 25. Oktober nur einen Kandidaten zur Auswahl haben. Sie können entscheiden, ob sie zu Franz Hochstöger als neuem Bürgermeister "Ja" oder "Nein" sagen. Bekommt er mehr als die Hälfte Ja-Stimmen, dann wäre er Bürgermeister eines Gemeinderats, in dem er seine eigene Ein-Mann-Fraktion wäre. Bei weniger als 50 Prozent plus einer Stimme würde der Gemeinderat einen Bürgermeister wählen.

SPÖ-Gegenkandidat tritt nicht an

Im ersten Durchgang konnte Hochstöger bereits 35,13 Prozent der Stimmen für sich verbuchen. SPÖ-Amtsinhaber Buchberger bekam 31,65 Prozent (minus 26,17 Prozentpunkte) und begründete im STANDARD-Gespräch seinen Rückzieher vor der Stichwahl so: "Dass ich aufhöre, hat zum Teil schon damit zu tun, weil ich mir die nächsten sechs Jahre ersparen möchte." Das Wahlergebnis möchte er nicht kommentieren: "Die Wähler haben so entschieden. Im Nachhinein bin ich froh. Nach 36 Jahren im Gemeinderat und zwölf Jahren als Bürgermeister werde ich wahrscheinlich die neue freie Zeit genießen."

Er wollte auf die "Entscheiderbank"

Bei seinem Amtsantritt 2003 hatte Buchberger die schwarze Gemeinde umgedreht und in rote Hand gebracht. Es war jenes Jahr, in dem Ein-Mann-Listenmann Hochstöger in seine Heimatgemeinde zurückkehrte, dort sein Vermessungsbüro eröffnete und fortan in so gut wie jeder Gemeinderatssitzung war. Angesichts des beobachteten "politischen Hickhacks" entstand in ihm nach und nach der Wunsch, "von der Zuhörerbank auf die Entscheiderbank zu wechseln", erzählt er.

Auf seiner politischen To-do-Liste stehen als "große Generalthemen Infrastruktur, Bauen und Wohnen und, das war mir immer besonders wichtig, weil mir da viel abgegangen ist: Information und Transparenz in der Gemeinde", erzählt der Neo-Gemeindepolitiker.

Niemand hat sich getraut

Dass er das Projekt Gemeinderat allein starten müsste, war übrigens so nicht geplant. Er habe lange mit sich gerungen, "ob ich's alleine mache", erzählt Hochstöger. Aber: Die in einer Gemeinde von seiner Größe notwendigen elf Unterstützungserklärungen waren zwar flugs beisammen, "nur hat sich niemand getraut, auch selbst zu kandidieren".

Und so kam es dazu, dass ein Mann auf sechs Mandaten sitzt – aber nur eines wirklich hat. (Lisa Nimmervoll, 2.10.2015)