Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) zwischen der EU und den USA ist politisch höchst umstritten. Viele Menschen in Europa sehen in engeren Beziehungen zu unserem größten Handelspartner einen Vorteil. Viele sind jedoch auch besorgt über die möglichen Auswirkungen des Abkommens auf unsere Lebensmittelsicherheit, unsere Umwelt, auf unser Gesundheits- und unser Bildungswesen.

Die Europäische Kommission, die im Namen der 28 EU-Mitgliedstaaten internationale Handelsabkommen verhandelt, engagiert sich in dieser Debatte und nimmt dabei Anregungen und Kritik auf. Wir haben die EU-Vorschläge online gestellt, damit die Öffentlichkeit die Verhandlungen mitverfolgen kann. Weiters haben wir unser Investitionsschutzkonzept grundlegend reformiert.

TTIP macht nur einen Teil der EU-Handelspolitik aus, denn derzeit verhandeln wir mit mehr als 60 Ländern über 20 Abkommen. Die TTIP-Diskussion dient uns aber als Grundlage für unser Gesamtkonzept.

Heute setzen wir diese Lehren in die Praxis um und entwerfen eine verantwortungsvollere Handelspolitik auf der Grundlage von Effektivität und europäischen Werten.

Effektiv heißt, dass die Handelspolitik mehr Wachstum und Beschäftigung zum Nutzen möglichst vieler Menschen in Europa schafft. Eine der häufigsten Fragen im Zusammenhang mit TTIP lautet: "Wem dient die EU-Handelspolitik eigentlich?" Handelspolitik wird für alle gemacht – für Konsumenten, Arbeitnehmer und kleinere Unternehmen ebenso wie für die international tätigen Konzerne. Handel sorgt für Beschäftigung. Von unseren Ausfuhren hängen die Arbeitsplätze von mehr als 30 Millionen Menschen in Europa ab – also jeder siebte. Allein in Österreich geht es um 625.000 Arbeitsplätze. Die offene Handelspolitik Europas führt zu niedrigeren Preisen und mehr Produktauswahl. Ein Drittel der europäischen Exporte entfällt auf kleine und mittlere Unternehmen (KMUs).

Wir müssen aber noch mehr tun, damit die Handelspolitik tatsächlich möglichst vielen Menschen zugutekommt. Wir müssen die Unternehmen über den Abbau von Hindernissen informieren und erreichen, dass die Vorteile auch an die Konsumenten weitergegeben werden. Kleine und mittlere Unternehmen müssen alle notwendigen Informationen erhalten, um die Vorteile der Handelsvereinbarungen zu nutzen. Und wir müssen gewährleisten, dass europäische Arbeitnehmer, die international nicht wettbewerbsfähig sind, umgeschult werden und neue Arbeitsplätze finden. Für alle drei Bereiche sind zusätzliche Mittel eingeplant.

Handelsabkommen sind aber nur dann sinnvoll, wenn sie neue wirtschaftliche Möglichkeiten bieten. Hierzu gehört der Abbau der aktuellen Handelshemmnisse. Wir müssen erreichen, dass EU-Unternehmen digitale Dienste in der ganzen Welt anbieten und dass unsere Techniker weltweit Hochtechnologieprodukte wie Windturbinen installieren oder warten können.

Verhandeln mit allen

Das bedeutet aber, dass wir mit den großen Volkswirtschaften verhandeln. Unsere Strategie richtet sich auf die Doha-Runde multilateraler Handelsgespräche, TTIP, unser Freihandelsabkommen mit Japan und unser Investitionsabkommen mit China. Mit Ländern wie Australien, Neuseeland, den Philippinen und Indonesien wollen wir Gespräche führen, sobald die Voraussetzungen dafür gegeben sind. Die bestehenden Abkommen mit Mexiko, Chile und der Türkei, einem engen Partner, möchten wir anpassen.

Die TTIP-Debatte verdeutlicht, dass die Menschen in Europa der Überzeugung sind, beim Handel gehe es um mehr als nur um rei-ne Wirtschaftspolitik. Weil das stimmt, steht unsere Handelsstrategie auch in vollem Einklang mit unseren europäischen Werten.

Die Handelspolitik muss den europäischen Werten entsprechen. In keinem der Handelsabkommen werden die gesetzgeberischen Rechte der EU untergraben oder ausgehöhlt. Veränderungen im Zuge eines Handelsabkommens dürfen nur zu einem Mehr an Schutz führen; dies gilt auch für Lebensmittelsicherheit, Umwelt- oder Datenschutz. Gleiches gilt für den Schutz internationaler Investitionen: Die gesetzgeberischen Rechte der Mitgliedstaaten bleiben im öffentlichen Interesse unangetastet. Im Sinne der Transparenz werden wir EU-Texte aus vielen weiteren Handelsverhandlungen freigeben. Die meisten davon werden über die Website der Kommission abrufbar sein.

Handel als Hebel

Handel sollte als politischer Hebel zur Wahrung europäischer – und universeller – Werte in der ganzen Welt dienen. Daher erteilen wir der Korruption in allen neuen EU-Handelsvereinbarungen eine klare Absage. Wir werden auch den Dialog mit den Entwicklungsländern intensivieren, wo EU-Handelspräferenzen den größten Einfluss auf die Ahndung von Menschenrechtsverletzungen ausüben können.

Angesichts der heutzutage eng ineinander verzahnten globalen Lieferketten verlangen die Konsumenten, dass die Erzeugnisse, die sie kaufen, unter fairen Arbeitsbedingungen und ohne Verursachung von Umweltschäden hergestellt wurden.

Gegen Kinderarbeit

Wir halten bereits heute unsere Partner dazu an, entsprechende Übereinkommen zu unterzeichnen und umzusetzen; dabei geht es von der Diskriminierung am Arbeitsplatz über die Abschaffung der Kinderarbeit bis hin zum Artenschutz. EU-Handelsvereinbarungen fördern auch die wirtschaftliche Entwicklung der ärmsten Länder der Welt.

TTIP soll ein Modell für nachhaltige Entwicklung, Arbeitnehmerrechte und Umweltschutz werden.

Die Menschen in Europa wissen, dass der Handel einen höheren Lebensstandard bewirken kann. Wie die TTIP-Debatte gezeigt hat, wollen sie darüber hinaus sicher sein, dass wirtschaftliche Vorteile nicht zulasten unserer Werte und unserer Identität gehen. Die neue Strategie vereint beide Ziele in sich und zeigt uns, wie wir unseren Grundsätzen treu bleiben und gleichzeitig zu mehr Wohlstand gelangen können. (Cecilia Malmström, 13.10.2015)