Keine sieben Minuten dauert die Fahrt mit dem Bimmelzug hinein in den Wald von Motovon. Ungefähr dreißig Personen fahren an diesem warmen Sonntagnachmittag mit, entlang sattgrüner Wiesen und einem kleinen Graben, der irgendwann im Jahr wahrscheinlich Wasser führen wird und an dessen Ufern beinah soldatisch angeordnete Schilfpflanzen stehen, fast so, als würden sie das Nass erwarten.

Pferde stehen am Wegesrand, sie hören auf zu grasen und schauen entgeistert auf die vorbeituckernde Bahnattrappe mit vier Rädern, aus der es fröhlich herausschwätzt. Reiher flüchten mit schwerem Flügelschlag vom Wasser in die Höhe. Nichts deutet darauf hin, dass die Gäste drauf und dran sind, Istriens Goldader aufzuspüren. Sie selbst scheinen sich am allerwenigsten dessen bewusst zu sein.

Trüffeljägerin von Beruf

Pappeln, Eichen, weiße Erde. Kenner wissen, wohin die Reise geht: ins gelobte Trüffelland von Istrien. Am Waldrand wartet Tina, Trüffeljägerin von Beruf. Sie nimmt die Besucher in Empfang und macht sich auf den Weg mit ihnen, an ihrer Seite hüpfen ihre beiden Hunde hoch, deutsche Jagdhunde, die aneinandergebunden sind. Lässt Tina sie frei, gibt’s kein Halten mehr: Einer – der Dunkle – streunt aus, die Nase am Boden, zischt er zwischen dem Gehölz hin und her, der zweite – weiße – bleibt dicht hinter Tina. Ein Erfolgssystem.

Tina und ihre Trüffelhunde
Foto: Doris Priesching

Fündig wird sie oft, aber es dauert. Bis zu vier Stunden durchstreift sie den Wald, bis die erste Goldader entdeckt ist, bis der Hund anschlägt. Dann heißt es schnell sein, denn Trüffelhunde tragen ihren Namen nicht umsonst – sie lieben den Pilz und würden ihn am liebsten verschlingen. Für die Besucher geht es schneller: Zwanzig Schritte, und die Hunde graben den ersten Schwamm aus der Erde. "Die haben sie absichtlich versteckt", maulen ein paar Naseweise. Ja, eh.

Den Schweinen den Rang abgelaufen

Es braucht Jahre, bis ein Hund so weit ist, dass er das ungeschränkte Vertrauen des Jägers genießt. Bis es so weit ist, hat er sich zurückzuhalten, vorn dürfen nur erfahrene Hunde jagen. Der deutsche Jagdhund hat sich als bestgeeignet erwiesen, weil er nicht nur gehorcht, sondern auch genügsam ist: Acht Stunden kommt er ohne einen Tropfen Wasser aus. Auf den Trüffelgeschmack kommen sie erst mit der Zeit, und dann nicht alle. Aber das weiß man erst nach zwei, drei Jahren. Den Schweinen haben sie längst den Rang abgelaufen, weil sie folgen. Zur Belohnung gibt’s Zuckerln.

Endlich fündig geworden: Weißes Gold
Foto: Doris Priesching

Livade, der kleine Ort, von wo aus die Bimmelbahn losfährt, liegt im Herzen von Istriens Trüffelregion und ist einer von drei Gebieten weltweit, wo es auch die wertvolle weiße Trüffel gibt. Aber anders als im Piemont und in Südfrankreich, wird in Kroatien um den intensiv riechenden und trocken-herb schmeckenden Parasiten noch nicht so großer Wind gemacht.

Tinas größte je gefundene Trüffel wog 240 Gramm. Für ein Kilo weiße Trüffel der A-Klasse bekommt man 3.000 Euro. Auf einmal gelungen ist das bisher nur Giancarlo Zigante, dem Trüffelbaron. 1,360 Kilo wog seine, was ihm einen Eintrag ins Buch der Rekorde einbrachte. "Von einem solchen Fund träumt jeder", sagt Tina. Entsprechend hoch ist die Besucherdichte während der Saison zwischen Mitte September und Mitte Jänner.

Foto: Doris Priesching

"800 Trüffeljäger sind gemeldet, dazu kommen noch einmal so viele Wilderer", sagt Tina. In die Quere kommen sie sich nicht zwangsläufig, der Wald hat mit 9.000 Hektar genug Platz. Wer erwischt wird, zahlt hohe Strafen. Das Einkommen der Trüffeljäger gehört zu den gut gehüteten Geheimnissen, man munkelt über 3.000 und 5.000 Euro Monatseinkommen. Der Tag ist aber lang, denn die Saison kurz.

Probieren kann man diese anregend stinkende, wohlig auf der Zunge zerbröselnde "Frucht" in den zahlreichen Restaurants im Inneren des Landes. Die Faszination Istriens besteht ja ohnedies in der Vielfalt: Während an der Küste der böse Massentourismus tobt, herrscht hier oben ein anderes Tempo.

Zum Beispiel in Buje, der erste Ort nach der slowenischen Grenze, den die Campingbusse in der Kolonne gen Meer links liegen lassen. Gut, dass sie das tun. Sie würden nicht ins Bild passen.

Stein und Konobas

Denn Buje, das ist Stein, und Stein verträgt sich nicht mit Plastik. Aus Stein sind die Häuser, die Straßen, die Trockenmauern, am Stadtplatz befindet sich die Konoba, darüber öffnet sich der Blick auf das Land – Wein, wohin das Auge reicht, mit Punktlandung gesetzte Ortschaften auf Hügelspitzen. Eine davon ist Brtonigla. Dort, im Hotelrestaurant San Rocco von Tullio Fernetich, kocht Bruder Theo die weiße Trüffel mit Lust am Experiment: Mit Calamari und Erdäpfelpüree bekommt man das weiße Gold serviert und staunt nicht schlecht, wie gut das schmeckt.

Laut, hektisch, touristisch ist es in den Küstenorten. Fažana zum Beispiel mag einst ein kleines Fischerdorf gewesen sein, später historisch wichtiger Hafen zu den Brijuni-Inseln, frühere Tito-Residenz, heute Nationalpark. Heute ist Fažana ein Ort, der sich gegen billige Souvenirstände und Bootsausfluganbietern kaum erwehren kann und angesichts der Horden ereignishungriger Gäste im Hochsommer zu ersticken droht. Schnell wieder zurück ins Landesinnere. Zurück nach Bale, 13 Kilometer östlich von Rovinj, gewiss einer der schönsten Orte der Region.

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Die Gegend lässt sich übrigens am besten mit dem Fahrrad erkunden. Ein gut ausgeschildertes Wegenetz mit Touren in jeder Länge und nicht allzu hohem Schwierigkeitsgrad führen zu den Orten.

Trüffel, Wein und Austern

Still und sich kühl erneuernd, nisten sich Gastbetriebe ein, die wie zum Beispiel das Hotel La Grisa einen neuen Stil probieren. Aber nichts gegen die alten Konobas, in denen es auch, aber längst nicht nur Ražnjići und Ćevapčići gibt, sondern ebenso köstlichstes Trüffelzeugs. Oder den Limski-Kanal mit seinen beiden "Wahrzeichen", den Restaurants Fjord und Wiking, wo es sich vortrefflich Austern schlürfen lässt, wenn in der Abenddämmerung die Ruderer zu Wasser gehen. Oder in Vodnjan bei Pula die Trattoria Vodnjanka, wo die Trüffel-Gnocchi auf der Zunge zergehen.

Und nicht zu vergessen Grosnjan, in dessen Gässchen sich Künstler eingenistet haben und auf dessen Aussichtsterrasse eine moderne Konoba einlädt, den Terran zu genießen, der nach Erde schmeckt. Gutes Land. (Doris Priesching, 20.10.2015)