Sehr adrett: Yori nennt sich ein neuer Koreaner in der Wiener Innenstadt.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Klassischer Pfannkuchen Pajeon mit einer Füllung aus Garnelen, Jungzwiebeln und Zucchini sowie mit einer säuerlichen Dipsauce.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Die globalen Fressauskenner raunen es sich schon die längste Zeit zu: Korea und seine vielfältige, von Fermentier-Aromen vibrierende Küche hat das Zeug zum Megatrend. Der US-Koreaner David Chang wurde mit seinen Momofuku-Restaurants zum Überstar und größten Koch der Vereinigten Staaten, sein avantgardistisches Fressmagazin Lucky Peach liefert das intellektuelle Unterfutter dazu.

Und plötzlich machen alle Kimchi oder versuchen die komplexen, süßscharfen Umami-Aromen der Gochujang-Paste (wird in Korea etwa so universell eingesetzt wie Shoyu in der japanischen Küche) oder, noch besser, die hochgradig suchtgefährdende Ssam Yang (Gochujang plus fermentierte Sojabohnen) in ihre Küche zu integrieren. Na dann: Es kann nicht mehr lange dauern, bis fitte Panasiaten wie die Mochi-Gang aus der Wiener Praterstraße ihre neueste Kreation damit aufzwirbeln.

Querschnitt koreanischer Küche

Das Yori in der Wiesingerstraße sieht zwar irgendwie so aus, als ob man hier Koreanisch auf neue Art bekommen könnte: Wilde Deckenkonstruktion aus Furnierholz, übergroße Lampenschirme in Himbeerrot, auf Hochglanz polierter Kunststoffboden und eine Hightech-Küche, in die man (wenn auch nur auf dem Weg aufs Klo) einen guten Blick werfen kann. Außerdem ein Extrazimmer der feudalen Art, weil manche Ostasiaten beim Essen lieber unter sich bleiben und, natürlich, ein Karaoke-Keller, der mit einer heftigen Soundanlage ausgestattet ist.

Nur sind die Betreiber halt dieselben, die in den vergangenen 20 Jahren auch die Akakiko-Kette hochgezogen haben, was die Hoffnung auf ein zugespitztes Lokalkonzept nicht eben erhöht. So liest sich die Speisekarte auch wie ein Querschnitt koreanischer Küche, wie sie etwa im famosen Seoul (ebenfalls Praterstraße) zelebriert wird: Es gibt Mandu zur Vorspeise, die an Gyoza erinnernden, gebratenen Teigtaschen. Es gibt köstliches, in süßscharfer Marinade gegrilltes Huhn Gangjeong mit Ingwer und Erdnüssen. Und es gibt den klassischen Pfannkuchen Pajeon (siehe Bild) mit einer Füllung aus Garnelen, Jungzwiebeln und Zucchini, der chopstickfreundlich vorgeschnitten und mit säuerlicher Dipsauce serviert wird. Eh okay, ein bissl nachhaltigeres Rösten hätte den Eindruck klebriger Teigigkeit aber konterkarieren können.

Kimchi? Hier!

Scharfer Ramen mit Eiernudeln, ein paar Meeresfrüchten und einer Art Surimi in Bandform in einem Großhäferl scharfer, heißer Suppe ist genau das richtige für feuchtkalte Tage – im Seoul aber deutlich belebender zu haben. Kimchi, der mit Knoblauch und Chili eingelegte Chinakohl schmeckt milder, als man das sonst vom Koreaner kennt – auf Nachfrage kommt aber auch saurer, weißer Kimchi in fortgeschrittener Reife zu Tisch.

Bulgogi und Galbi gibt es natürlich auch, die werden auf einem frisch aus Korea importierten Elektrotischgrill gegart. Das funktioniert ganz gut, allerdings um den Preis, dass die fett marmorierten (und richtig kostspieligen) Zwischenrippenscheibchen vom Rind (Galbi) nicht ganz so schnell und fein karamellisieren, wie man das am Gasgriller lieben gelernt hat. Dafür ist die dazu servierte Ssam-Yang-Sauce von wirklich herausragender Qualität.

So bleibt das Yori als nicht unattraktives neues Restaurant in Erinnerung, in dem koreanische Küche in vergleichsweise edlem Rahmen präsentiert wird. Das heißt aber leider, dass wir weiter warten müssen, bis sich jemand der vielfältigen Würzkraft dieser gastronomischen Schatzkiste auf zeitgemäße Art annimmt. (Severin Corti, RONDO, 23.10.2015)